Zum großen Raclette Abend ging es zur Familie Ping und Serge. Blöd nur, dass ich als Raclette-Beauftragter eingeteilt wurde und die Mademoiselle mir anvertraute das Teil vom Küchenschrank runter zu kramen und ins Auto zu packen. Aber Gedanken wie ein Pups, raus und weg. Kurz vor Ankunft, fiel es der Mademoiselle wie Schuppen von den Augen. Ihre Frage war mehr als Vorwurf formuliert. Ob ich das Raclette vergessen habe. Mein lautes Scheiße! War der Startschuss für die billigen Plätze hinter mir um M. und den stillen Teilhaber mich für meinen Dilettantismus verbal zu vermöbeln. Die Mademoiselle stieg dann natürlich auch noch mit in das Gezeter von der Rückbank ein und vor lauter Schamgefühl nahm ich zur Krönung die falsche Abfahrt. Angekommen bei den zwei Hübschen bekam ich natürlich die nächsten Lacher auf’s Brot geschmiert. So hat mein Herz halt ein paar Narben mehr. Zu meinem großen Glück hatten Ping und Serge wenigstens ein Raclette mit vier Pfännchen. So saßen wir mit sechs Personen gemütlich zusammen und guckten nebenbei noch das Hamburger Derby im Fernsehen. Am nächsten Morgen wollte Serge die Schweizer Superleague komplettieren, doch bevor es soweit war, gab es noch eine Auswechslung auf der Mitfahrerbank. Einer konnte sich die Schweiz nicht leisten. Der Spruch vom Serge war zwar lustig, aber M. musste wegen seinem Leistenbruch die Fahrt absagen und Ping sprang für ihn ein. Nach einer unspektakulären Fahrt erreichten wir Lausanne in der französischsprachigen Schweiz. Vor fast genau zwei Jahren waren zwei Drittel der Kopaneredaktion schon einmal in der viertgrößten Stadt der Schweiz. Damals schauten wir das Derby Lémanique, zwischen dem FC Lausanne-Sport und Servette FC Genève.
Wir kamen damals auch am heute besuchten Stade Olympique de la Pontaise vorbei. Welches absolut überdimensioniert für den kleinen Quartierverein daherkommt. Seit 2020 spielt Stade-Lausanne-Ouchy darin, da ihre Heimspielstätte das Centre sportif de Vidy nicht den Anforderungen des modernen Fussballs entspricht. Obwohl der Name Stade Olympique de la Pontaise vermuten lässt, dass die Sportstätte olympisch genutzt wurde, stimmt dies nicht. Der Name rührt lediglich daher, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) seit 1915 seinen fünf Kilometer entfernten Sitz hier hat. Bekanntheit erhielt das Stadion durch die sogenannte Hitzeschlacht von Lausanne, während der Fussball-WM 1954. Bei dem Viertelfinalspiel zwischen Österreich und der Schweiz (7:5) herrschten exotische 40°C im Schatten. Von der Hitze hätten wir heute gut etwas gebrauchen können. Alter war das knackig. Schon bei unserem Besuch vor zwei Jahren war tiefster Schweizer Winter angesagt. Gibt’s diese Stadt eigentlich auch in warm. Bei unserem Bummel durch die City ging die Kälte ja noch, nur im Stadion wurde es ungemütlich. Ping und Serge meinten dann nur auf ihren coolen Zwigge-Sitzkissen geht es. Richtige Angeber.
Auf unserer obligatorischen Stadtrunde parkierten wir wieder Nähe der Kathedrale Notre-Dame. Die Mademoiselle fand heraus, dass man den Kirchturm für 5 Schweizer Franken besichtigen kann. Ein wahrer Schnapper würde ich sagen. Also gings hoch da und es wurde versucht nicht zu sehr zu schwitzen. Ein nasses Nicki bei dem Wetter und gute Nacht. Dort oben zog es wie Hechtsuppe, Respekt. Als dann noch die Kirchturmglocken läuteten war der Tinnitus nicht weit und unser Signal zum Abstieg gekommen. Wir fünf waren uns alle einig, wir wollten uns ins finanzielle Unglück stürzen und in der Schweiz auf dem Lausanner Weihnachtsmarkt einen Glühwein, einen Vin Chaud, trinken. Gesagt, getan. Preislich auch noch im Rahmen. So langsam knurrten uns die Mägen und wir sondierten mal das kulinarische Angebot. Beim 200gr. Käsefondue für 27 Franken hörte aber der Spaß bei uns auf. Also gab es ein Croque Monsieur oder wie der stille Teilhaber meinte, dass ist ja eine Karlsbader Schnitte. Was jedoch nicht ganz das gleiche ist. Eine Malakoff Käsekugel gönnten wir uns alle fünf noch als Nachtisch obendrauf. So ging es gut gestärkt zum parkierten PKW, welches wir ohne Parkticket seinem Schicksal überließen. Glücklich kein Knöllchen bekommen und dem Gefühl mindestens 10 Franken gespart zu haben, fuhren wir zum sogenannten olympischen Ground. Das hier kein Kartenproblem herrschen würde, war uns natürlich klar. Der FC Stade-Lausanne ist immerhin der Schweizer Verein welcher 2023 einen interessanten Rekord aufgestellt hat. Nachdem man 2023 in die erste Liga aufgestiegen war, bestritt man sein erstes Heimspiel mit den wenigsten Zuschauern seit Gründung der neuen Super League. Gegen Lugano kamen an einem Mittwoch lediglich 1784 Besucher. Historisch hat der kleine Club noch nie viele Fans gehabt. Hier gehen die Anhänger zum FC Lausanne-Sport oder zum Lausanne Hockey Club mit ihrer nun 30 Jahre alten Gruppe Section Ouest 1993. Welche eine lange Freundschaft ins Paradies, zur Horda Azzuro, pflegt. Aber das wusstet ihr bestimmt meine lieben zwei Stammleser. Übrigens feierte die Section Ouest ihren 30igsten Geburtstag genau heute bei unserem Besuch bei Stade-Lausanne-Ouchy. Ok dies wusste ich im voraus nun selber nicht. Aber zeitlich hätte dies für uns nicht gepasst. Als ich die Bilder von den Feierlichkeiten im nachhinein gesehen habe, war ich schon gut beeindruckt, großes Kino. Der Grund hier heute anwesend zu sein war Serge seine Komplettierung der Schweizer ersten Liga.
Doch auch der Gast, der FC Basel, mit seiner Muttenzerkurve ist immer einen Besuch wert. Machen wir uns nichts vor, die Muttenzerkurve hat schon einen mythischen Ruf. Sei es mit ihren kreativen Gesängen, ihrer schieren Größe, ihren Gewaltpotenzial, fantastischen Pyroshows oder ihren innovativen Choreografien. Hier seien exemplarisch die 3D-Choreo 2018, gegen den FC Zürich oder die Kurvenshow beim Hinspiel gegen Stade Lausanne Ouchy genannt. Die Fans des FC Basel erleben zur Zeit eine sehr schwere sportliche Phase mit ihrem Club. In der Europa Conference League Qualifikation schied man in der 2.Runde gegen den kasachischen Verein FK Tobyl Qostanai sang und klanglos aus. In der Liga kommt man vom Tabellenende nicht weg, man war sogar vom 10. bis zum 14.Spieltag Tabellenletzter. Nur im Schweizer Cup steht man relativ gut da und zwar im Viertelfinale gegen Lugano. Die Muttenzerkurve steht aber weiter trotzig hinter der Mannschaft und läuft wie ein Schweizer Uhrwerk. So auch heute. Nachdem zum Einlaufen der Mannschaften die farblich passenden Balkenschals und die Transparente „Unter em Strich - Überall drbi“, was ein gelungenes Wortspiel zur Tabellensituation ist, herunter gelassen wurden, sang man ein Lied 23 Minuten durch. Wir hatten auf die Uhr geschaut. Deutsche Gründlichkeit und so. Die Lautstärke würde ich jetzt nicht mit den Adjektiven brachial und krass beschreiben, aber mit einer Leidenschaft und Hingabe, die ich beeindruckend fand. Es wurde sich immer wieder, durch die Trommler angetrieben, hoch gepusht. Das Zaunfahnenbild der Muttenzerkurve wie man es kennt. Mir fällt da nur Kontinuität ein. Seit Jahren hängen die gleichen Gruppenfahnen am Zaun. Sei es das Inferno, mittig und zentral, Kaos, Fanatics, 187 (die Zifferkombination steht in den USA für Mord), Invasione, Good Fellas, Ultra Boys, Gruppo Attivo Basiliensis 1997. Aufgefallen ist mir heute, am Rand hängend, die Gruppe Havoc, welche noch relativ neu in der Muttenzerkurve ist.
Das Spiel unterirdisch. Serge habe ich des Öfteren laut lachend oder sich beschwerend neben mir gehört. Das war aber auch ein Grottenkick. Kein Wunder, dass beide Mannschaften unten in der Tabelle stehen. So ein Spiel verdient eigentlich nur ein 0:0, doch wenigstens schafften die elf Antifussballer ein 1:1. Sein wir ehrlich, wir hätten Basel natürlich den Sieg gewünscht. Richtig kalt wurde es so langsam. Die Mademoiselle wollte unbedingt, der Damenabteilung des Heimvereines etwas gutes tun und ihnen einen Kuchen für die Mannschaftskasse abkaufen und leierte Serge die getauschten Franken aus dem Kreuz. Es wurden sogar zwei Stück, eins für mich natürlich. Ping und Serge haderten derweil mit ihren Schweizer Röstern, während der stille Teilhaber und ich uns versuchten am kalten Cardinal zu wärmen. Nach Abpfiff wurde die Basler Kicker noch vorm Gästeblock mit Gesängen motiviert und die Heimkicker verschwanden in den Katakomben. Gab ja keinen um sich für das Kommen zu bedanken. Hieß für uns fünf ab zum Auto, Heizung auf maximal und Abfahrt. Morgen stand ja noch ein Spiel Nähe Gütersloh an. (Der Kulturbeauftragte)
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