Da stöberte ich ein wenig bei Groundhopping Links durch die Ansetzungen für den 03.10., den Tag der Einheit, und war noch nicht ganz zufrieden mit den möglichen Spielen, welche besucht werden konnten. Bis zu dem Moment, als ich mal in Thüringen schaute. Zack stand sie vor mir: die Ansetzung für das Pokalspiel FSV Kali Werra Tiefenort gegen den SV Kali Unterbreizbach im Waldstadion Kaffeetälchen. Uiuiuiuiui….da wollte ich ja schon lange mal hin. So ziemlich die ganze Kopane-Redaktion war dort bereits aufgeschlagen. Nur ich noch nicht. Dieser Sachverhalt musste nun endlich mal geändert werden und DIE Stadionperle in Thüringen besucht werden. Feiertag, Zugfahrt, Fußball – die beste Kombination. Schlimm, wie schwer ich es habe.
Natürlich war der Zug von Dresden nach Leipzig wie immer überfüllt, wenn ich mal diese Strecke fahre. Da hilft eindeutig nur schlafen, um dies zu überstehen. Doch noch voller als der Zug nach Leipzig, war der Zug von Leipzig nach Eisenach. Was mit diesem an Menschen, hervorzuheben die Rentner*innen auf Alk, nach Naumburg gerammelt ist, war schier unglaublich. Scheint ja eine schöne Stadt zu sein. Bisher war ich nur drei Mal zum Fußball dort. Ich meine, ich muss dort wohl mal der Masse folgen und mir die Stadt mit ihren 32.000 Einwohnern mal genauer anschauen. Vielleicht fällt dann auch noch eine Fahrt mit dem Ausflugsdampfer „Fröhliche Dörte“ ab.
Das beste an der Zugfahrt an diesem Tag war die Tatsache, dass Tiefenort bzw. der Haltepunkt Oberrohn mit zweimaligen Umsteigen von Dresden aus zu erreichen war. Der Regionalexpress von Leipzig nach Eisenach machte diese möglich. Und mit dem Deutschlandticket war das natürlich kostengünstig. Zumal ich diese Fahrkarte als Jobticket nutze und dadurch nicht die 49€ dafür bezahle, sondern nur rund 35€. Da kann ich absolut nicht meckern.
Nach der Ankunft in Oberrohn ging es für mich zunächst zum örtlichen Sportplatz, der leider nicht mehr durch den 1. FC Oberrohn e.V. bespielt wird. So können wir Thüringen niemals komplettieren. Skandal. Nach den obligatorischen Fotos dort, ging es anschließend die nur circa 3,4 km zu Fuß zum Waldstadion Kaffeetälchen quer durch den Wald. Ich lief noch gar nicht so lange durch den Wald, da lagen an einer Weggabelung zwei Herren auf dem Bauch auf dem Waldboden. Irgendwie war die Situation für beide Parteien überraschend. Sie beäugten mich mit Argusaugen und ich ebenso sie. Als sich unsere Blicke trafen, hatten wir wohl alle den gleichen Gedanken: „Wieso zur Hölle kann man im Wald nicht mal alleine sein“. Ebenso lenkte mich die Situation so von meinem Weg ab, dass ich an der Gabelung in die falsche Richtung lief. Und das bedeutete, dass ich erstmal einen schlammigen Weg bergauf lief, den wohl am Tag zuvor noch die Waldbearbeiter mit ihren Geräten beackerten, so dass ich knöcheltief im Schlamm versank und die Schuhe und Beine dadurch aussahen wie sau. Doch die Blöße einzugestehen den falschen Weg genommen zu haben und umzudrehen und an den beiden Typen vorbeizugehen wollte ich mir dann doch nicht geben und so zog ich die Schlammwanderung durch.
Als ich dann schlussendlich dem Ziel näherkam, sah ich schon die großen Stehstufen durch das Laub der Bäume blitzen. Da machte sich schon ein Grinsen im Gesicht breit. Die beiden Teams und der Schiedsrichter warteten auch höflich, bis ich auf der Gegengerade Platz genommen hatte und dann ging das Pokalspiel auch schon los. Der Vorteil, dass ich durch den „Hintereingang“ das Stadion betreten hatte war, dass ich hätte das Eintrittsgeld sparen können. Da aber Amateurvereine jeden Euro brauchen, ging ich zum Eingang, bezahlte die 3€ (+2€) und bekam als Gegenleistung eine richtig gute Eintrittskarte für die Sammlung. Das Spiel plätscherte in der 1. Halbzeit ein wenig vor sich hin. Ein Klassenunterschied zwischen dem 11. Der Kreisliga Staffel 2 Westthüringen und dem 8. Der Kreisoberliga Westthüringen war nicht zu erkennen. Die Spieler von Kali Werra waren bei den wenigen Torchancen in der 1. Halbzeit einfach unglücklich bei der Verwertung. Die Kali-Spieler der Gäste machten es kurz nach dem Seitenwechsel besser und erzielten in der 51. Spielminute das Endergebnis von 1:0 aus ihrer Sicht. Da nutzten auch der Lattentreffer und der aufkommende Regen nichts mehr, damit die Heimelf das Spiel drehen konnte. Schade, hätte ich doch gern Tiefenort weiterkommen sehen.
Nicht weiterkommen, aber wiederkommen muss ich mit der gesamten Kopaneredaktion, denn in der 2. Halbzeit wurde ich durch Michael, seines Zeichens für den Social-Media-Auftritt von Kali Werra verantwortlich, angesprochen. Und die sich daraus ergebenden Infos, welche mir in der 2. Halbzeit zu teil wurden, sind mit Gold nicht aufzuwiegen. Ich persönlich wusste nicht, dass die SG Dynamo Dresden das erste Mal in schwarz-gelb zum Heimspiel gegen die BSG Kali Werra Tiefenort im September 1968 auflief. Die Tiefenorter verloren zwar das Hinspiel in der DDR-Liga mit 4:0 vor 9.500 Zuschauer*innen, konnten im Rückspiel im Waldstadion Kaffeetälchen dann auf dem Rasen Sammer, Kreische, Geyer und so weiter begrüßen. Ebenso wechselte einst im November 1979 der 4-malige Oberliga-Spieler Rainer Bieleke hier her, der seine ersten Schritte im Fußball bei der SG Dynamo in Dresden machte. Auch die Europapokalteams aus Leipzig und Jena mussten hier schon antreten. Und dabei war das Stadion immer gut gefüllt. Überraschender Weise ist diese Gegend hier im westlichen Thüringen eher dem FC Carl Zeiss aus Jena statt dem FC Rot-Weiß Erfurt wohl gesonnen. Das Hans Meyer seine ersten Fußballerfahrungen bei Motor Dietlas (Nachbarort von Tiefenort) und über Motor Suhl zum FC Carl Zeiss Jena wechselte, mag, laut Michael, einen Anteil daran haben. Somit waren dann die ein oder andere Jena-Schmiererei an der Bahnstrecke für mich erklärt.
Den großen Sprung in die DDR-Oberliga schaffte Kali Werra trotz Trägerbetrieb zwar nie, aber insgesamt 21 Jahre DDR-Liga, also zweithöchste Liga der DDR, und damit Platz 25 (von 198) in der ewigen Tabelle der DDR-Liga sprechen für die Voraussetzungen in dieser Region schon für sich. Zu wünschen ist es dem FSV Kali Werra, das es doch nochmal ein paar Ligen höher geht. Vielleicht bis in die Verbandsliga Thüringen. Dafür brauchen die Tiefenorter aber noch einen Kunstrasenplatz für das Training. Denn trotz 17 Teams im Spielbetrieb fehlt ihnen dieser und nur ab und an kann in Bad Salzungen auf dem dortigen Kunstrasenplatz trainiert werden. Doch das wollen eben noch ein paar mehr Teams und so kommt es, dass gerade in den Wintermonaten oftmals das Training ausfällt.
Dennoch besitzt der Verein eine enorme Strahlkraft. Eben weil sich Menschen mit Herz um diesen Verein kümmern und auch das Waldstadion Kaffeetälchen dafür gut mit nutzen. Denn dieser ehemalige Hartplatz wurde bereits 1926 eingeweiht und ab 1927 fanden hier Punktspiele statt. Ab den 1960er Jahren wurde mit Hilfe des Trägerbetriebes das Stadion modernisiert. Aus dem Hartplatz wurde ein Rasenplatz und die Tribünen wurden gebaut. Bis zu 8.000 Zuschauer*innen fanden sich hier einst ein. Davon ist der Verein heutzutage mit 150 bis 200 Interessierten zwar weit entfernt. Aber was jetzt nicht ist, kann ja wieder werden.
Laut Michael ist es geplant, die abgerissene Anzeigetafel aus Holz mit Torschildern zum Einhängen wiederaufzubauen und auch die Tribünen hinter dem Tor und auf der Gegengerade wieder in den Originalzustand zu versetzen. Das bedeutet: die abgebrochenen Stufen sollen wieder dazukommen. Und wenn es ganz gut läuft, soll die Hintertortribüne noch überdacht werden. Vielleicht sind dann auch noch ein paar Euro für die Überdachung der Sitzplätze auf der Geraden übrig. Wenn das eintreten sollte, wäre das Stadion aufgrund seiner Lage und Einzigartigkeit nicht mehr nur das schönste Stadion in Thüringen, sondern in ganz Ostdeutschland, wenn nicht gar Deutschland. Und dann können sich Philipp Lahm und Célia Šašić gegenseitig auf die Schultern klopfen, als sie im Rahmen des Vereinsfestes zu 110 Jahre Kali Werra und dem Kreispokalfinale am Wochenende um den 25.06.23 hier waren und gleichzeitig ihr Projekt „treffpunkt fußball" vorgestellt hatten. Ein Projekt, dass das Ehrenamt fördern und Fußballvereine vernetzen soll.
Zum Abschluss, weil ihr euch das sicherlich genauso gefragt habt, wie ich es bisher tat, erklärte mir Michael noch, woher der Name Kaffeetälchen stammt. Mein Tipp war, dass hier mal eine Kaffeemühle stand. Doch weit gefehlt: Der Name kommt daher, dass die Tiefenorter Einwohner früher (und auch heute) in die Waldgaststätte neben dem Stadion gepilgert sind und dort Kaffee und Kuchen als Höhepunkt des Spaziergangs genossen. Verbürgt ist das nicht, aber scheinbar die einzig logische Erklärung, dass aus dem Tal das Kaffeetälchen wurde.Nach dem Abpfiff wurden mir noch die Vereinsräumlichkeiten gezeigt, ehe ich wieder (durch den Regen) zum Zug nach Oberrohn musste. Für all die Infos und die Gastfreundlichkeit bin ich sehr dankbar. Und ich empfehle es jeden Fußballfan, egal ob Hopperschwein oder nicht, hier mal ein Spiel anzuschauen. Das Gesamtpaket aus Stadion, Verein und den Menschen hier ist es mehr als Wert.
Und vielleicht, ja vielleicht wird das Waldstadion Kaffeetälchen der Austragungsort der ersten Runde „The Match! League“. Geil wäre es ;-)
Mit klatschnassen Schuhen und Socken fand ich mich ich Regionalexpress nach Leipzig ein. Der Zug hatte zunächst 15 Minuten Verspätung und ich sah schon meinen Anschlusszug ab Leipzig ohne mich fahren. Doch irgendwie prügelte der Lokführer seinen Zug quer durch Thüringen, so dass er sogar eine Minute eher als geplant ankam. Dafür dankte ich. Im Zug war es auch wieder wild. Denn es saß einer vor mir und las eine Zeitschrift zum Thema Briefmarken. Erste Überschrift "1-Rahmen-Meisterschaft Vorarlberg-Tirol". Also Briefmarken mit nur einem Rahmen oder so. Weiter ging es mit Fälschungen bei Briefmarken. Scheint ein sehr kriminelles Netzwerk bei Briefmarkensammlern zu existieren. Weitere Überschriften sind auf den Bildern. Ich fand das schon ein wenig nerdig. Zumindest bis zu dem Moment, als mir klar wurde, dass ich an diesem Tag sieben Stunden im Zug saß, um 90 Minuten Fußball zu sehen. Und dann fand ich es wieder ganz toll, dass Hobbys so divers sein können. So dass ein jeder Mensch etwas für sich findet.
Den Abschluss bildete dann eine Rentnerin:
"Ist der Pullover aus Wolle?"
"Wie bitte?"
"Na ist der der Pullover aus Wolle?"
"Nein, Baumwolle."
"Aha. Und was hast du heute für eine Fahrradtour gemacht."
"Keine. Ich war nur Fußball schauen."
"Fußball? Und wo?"
"In Tiefenort."
"Wo ist dieses Tiefenort?"
"Südlich von Eisenach."
"Aha."
"Joar."
"..."
"..."
Pünktlich 23:03 stieg ich in Dresden aus der Straßenbahn knapp vor der Haustür und war froh, dass ich die restliche Woche noch frei hatte. Rauf geht’s Kali Werra. (goju)
P.S.: Von dem Nostalgietrikot in den Bildern gibt es nur 100 Stück, welche auf einer sehr alten Maschine, die es nur einmal in Deutschland gibt, gefertigt wurden. Ein weiteres Nostalgietrikot ist geplant. Lasst uns die Auflage aufkaufen ;-)
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