Dite te mire an unsere zwei Stammleser.
Beste Grüße aus dem sonnigen Albanien, das versucht hat mich abzustoßen, wie der Körper eine Krebszelle. Kleiner Spoiler, Albanien hat es nicht geschafft, nice try.
Wer schon einmal den Balkan bereist hat, ist mit den Gepflogenheiten einigermaßen vertraut, man lässt fünfe öfter mal gerade sein. Meiner Meinung nach, setzt Albanien da nochmal einen drauf. Bei der Ankunft am Tirana-Airport läuft man direkt einer Armee bärtiger, Junger Männer in die Arme, die alle recht finster dreinschauen, sehr geschäftig wirken, man aber nicht genau ergründen kann mit was sie beschäftigt sind. Die Bauchtausche wurde auf jeden Fall des Öfteren geöffnet und geschlossen, um Geldscheine zu entnehmen/zu verstauen. Wir ließen die grimmigen Männer hinter uns und nahmen unseren Leihwagen entgegen. Dabei traten wir in so viel Hundescheiße, dass die Fahrt zur Unterkunft kein Zuckerschlecken für Geruchsconnaisseure war.
Die Fahrt in die Innenstadt war, wie alle Fahrten in den kommenden Tagen, das reinste Abenteuer. Da Verkehrsregeln hier lediglich als Empfehlung zu deuten sind, darf der deutsche Michel hier keine Vernunft erwarten. Auf einer einspurigen Linksabbiegerspur stehen da schon einmal Fahrzeuge rechts und links neben einem, wer schneller ist hat dann Vorfahrt. Rote Ampeln gibt es, sind aber nur auf sehr breiten Hauptstraßen zu beachten. Die rechte Spur einer zweispurigen Straße dient grundsätzlich als Parkplatz und den nüchternen Fahrer erkennt man hier am Schlangenlinienfahren (wegen dem Umfahren der Schlaglöcher). Darüber hinaus kommen einem noch unzählige Fahrräder und Mopeds (gerne auch mal in der Einbahnstraße) entgegen. Wer also mal so richtig viele Verkehrsregeln brechen will, dem sei Albanien wärmstens ans Herz gelegt. Ach ja, die kleinste Karre hat hier einen getunten Auspuff, so dass man permanent das Gefühl hat, man wird von einem Supersportwagen überholt. Die Enttäuschung ist dann groß, wenn es nur ein Fiat 500 ist. So viel zur Verkehrssituation, ein Wunder, dass wir ohne Kratzer und Delle aus der Nummer herausgekommen sind. Ein paar Gehirnzellen haben sich auf jeden Fall verabschiedet. Mein persönliches Balkan-Highlight war, als uns ein Polizeiwagen mit Blaulicht überholt hat und wir die Cops 3 km später an einer Tanke beim Kaffeetrinken gesehen haben. Generell gibt es hier sehr viele Polizisten. Auf jeder Fahrt wurden wir Zeuge von Verkehrskontrollen. Am nächsten Morgen wurden wir von Hühnern (mitten in einer Großstadt?) geweckt. Danach hat uns der Muezzin einer benachbarten Moschee den restlichen Schlaf aus den Augen getrieben. In Albanien bekennen sich etwa 60 % aller Menschen zum Islam. Etwa 20 % sind Christen und der Rest verteilt sich auf was auch immer. Ich finde das Konzept von Religionen ohnehin überholt aber, wenn man so gut miteinander klarkommt wie hier, dann habe ich damit meinen Frieden. Witzigerweise prangte, direkt neben unserem Neungeschosser, ein riesiges, beleuchtetes Kreuz, genau mein Humor.
Nun zu den wichtigen Dingen. Als erstes Spiel hatten wir uns AF Elbasani gegen Dinamo City herausgesucht. Wir hatten lediglich 45 Minuten Fahrzeit und haben uns vorher ein verlassenes Stahlkombinat mit riesigen Ausmaßen angeschaut. Die kleine Fototour an diesem Lost Place war nicht unspannend, da nicht wenige streunende Hunde unterwegs waren. Wir sind im Anschluss an die kleine Fototour an das wunderschöne Stadion (Elbasan Arena) gefahren, welches, umringt von Plattenbauten, in einer Wohnsiedlung stand. Wir hatten noch Zeit, also sind wir noch ein wenig umhergeschlendert und wie wir so flanieren, fällt mir auf, dass es in der Stadt überhaupt nicht nach Fußball aussieht. Ich habe noch einmal den „Spiele in der Nähe“-check auf Futbology gemacht, habe auf Soccerway geschaut und sogar Kicker zu Rate gezogen. Überall die Auskunft, das Spiel findet heute (03.11.) um 14:00 Uhr statt. Dennoch wurde ich immer hibbeliger, nicht ein Mensch mit Fußballbezug war auf den Straßen zu sehen. Irgendwann habe ich den Facebookaccount meiner Frau bemühen müssen und da dann die Hiobsbotschaft, dass das Spiel einen Tag später, um 18:00 Uhr stattfinden soll. Total geladen also wieder zurück nach Tirana und jede Menge Bier zur Frustbewältigung. Wir haben dann zunächst einmal das Touriprogramm abgespult und uns den Skanderbegplatz mit der Statue des Nationalhelden angeschaut. Es passt zum Land, dass auch der gute Skanderbeg erst Katholik, dann Moslem und dann wieder Katholik war. Ich lege, im übrigen , jedem die Geburtsstadt des guten Skanderbeg, Kruja ans Herz. Die Stadt, in den Bergen gelegen, hat ein wunderschönes Schloß und einen alten Basar. Aber bitte esst nicht da, man bezahlt Touristenpreise. Unsere Tirana-Tour beinhaltete noch die Pyramide von Tirana. Ein Brutalismusbau aus der alten Kommunistenzeit, der für Besucher aufgehübscht wurde. Besonders nachts ein echter Hingucker. Apropos Kommunistenzeit, mein Versuch die Statuen der alten Despoten (Lenin, Stalin und die des albanischen Führers Enver Hoxha) zu besichtigen war leider ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt. Die Statuen stehen versteckt hinter der Kunstakademie. Mein Versuch auf das Gelände zu kommen endete damit, dass man mir ein Tor vor der Nase zuschlug und mich mit den Worten: „no tourists, no fotos“ wegjagte. Albanien hat noch latente Probleme mit der Aufarbeitung seiner kommunistischen Vergangenheit. Das einzig Erlebbare für uns Geschichtsinteressierte ist da noch die BunkArt2-Ausstellung in der Nähe des Skanderbeg-Platzes. Der Despot Hoxha hat überall im Land Bunker ausheben lassen und in unserem Bunker in Tirana wird man ein wenig über die Schrecken der kommunistischen Herrschaft aufgeklärt. Ansonsten hat der Westen Albanien fest im Griff, an der Kreuzung sieht man da schon mal den Bettler an die Scheibe des Maybach klopfen. Auch Gucci und Versace scheinen hier hoch im Kurs zu liegen. Wobei die Echtheit angezweifelt werden darf. Ach ja, sollte sich jemand fragen, wo all die alten Mercedes gelandet sind, sie sind alle hier in Albanien.
Okay, nächster Versuch ein Fußballspiel zu besuchen. Am 04.11. sollte Partizani Tirana gegen Teuta Durfës im Stadion „Arena e Demave“ spielen. Diesmal wurde im Vorfeld wirklich alles gecheckt. Wir nahmen die romantische Strecke, einen einstündigen Fußmarsch, der uns zum Teil durch slumähnliche Stadtteile führte. Da blickst du automatisch auf den Boden. Am Stadion waren wir dann erstmal enttäuscht, weil es sich bei dem Stadion um einen kompletten Neubau handelte. Die Hintertorseiten waren nicht ausgebaut und mit riesigen Werbeplanen versehen. Es gab eine Haupttribüne und eine Gegengerade, die sich Heim- und Gästefans teilen mussten. Noch ein Bier und eine Tüte Sonnenblumenkerne und dann rein ins Stadion. Vor der Heimkurve eine Zaunfahne und ab und an ein Böller ließen die Erwartungen steigen. Am Ende gab es ein bisschen Allerweltssingsang der Partizani-Ultras (Guerrils), untermalt mit richtig schlechtem getrommel. Die Gästefans, etwa 10 Mann, kamen erst 15 Minuten nach Anpfiff an und haben alles, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, gegeben. Mein persönliches Highlight war die, auf einem Podest angebrachte, Zapfanlage. Tirana ging mit 1:0 in Führung und der Puls ging kurz nach oben. Kurz danach ging der Puls dann richtig nach oben, als wir die Nachricht erhielten, das unser kleiner Nachwuchshopper sich nicht beruhigen lässt und sich die Lunge aus dem Leib schreit. Also sind wir, genau mit Halbzeitpfiff, aus dem Stadion raus und mit dem Taxi und einem halben Länderpunkt im Gepäck zurück zu unserer Unterkunft gefahren. Der Kleine war dann schnell beruhigt, nur ich war kaum zu beruhigen.
Also dann, Versuch Nummer drei.
Am Montag (05.11.) führte uns unser Programm nach Durrës, der zweitgrößten albanischen Stadt. Wir wollten dem kleinen das Meer zeigen. Bei unserem Vorhaben begleitete uns ein Streuner, der den Kinderwagen bewachte, während wir mit den Füßen im Meer standen.
Um die Mittagszeit herum machte ich mich dann auf den Weg nach Kavajë, um mir das Zweitligaspiel KS Besa Kavajë gegen Flamurtari FC anzuschauen. In Kavajë angekommen war ich super happy, weil ich bereits aus einiger Entfernung die riesigen Flutlichtmasten des Stadiumi Besa sehen konnte. Vor Ort dann der erneute Schock, da wo mal ein Stadion war, befanden sich lediglich die vier Flutlichtmasten und eine Baustelle mit abgerissenen Tribünen. Mir wurde heiß und kalt. Doch diesmal enttäuschte die Futbology-App nicht, denn da war das Stadion vom KS Egnatio Rrogozhina (Arena Egnatia) ausgewiesen. Das bedeutete noch einmal 20 Minuten Fahrt, aber ich hatte großzügig kalkuliert. Zusammen mit den Fans von Flamurtari kam ich am Stadion an und habe mir für 500 Lek (ca. 5 €) das Ticket geholt und mir einen Platz gesucht. Etwa 15 Minuten vor Anpfiff war im Stadion noch nicht allzu viel los, das sollte sich aber ändern. Mit Anpfiff bzw. bis 15 Minuten nach Anpfiff füllte sich die einzig begehbare Tribüne. Leider wurde an der Gegengeraden noch gebaut und hinter den Toren stand jeweils eine nackte Mauer, so dass sich alles auf der Haupttribüne konzentrierte. Das war natürlich maximal beschissen, weil ich keinen bzw. einen schlechten Blick auf die Flamurtari-Fans hatte. Die standen rechts von mir im Gästeblock und haben, beim Anpfiff, ordentlich Rauch abgefackelt. Von beiden Seiten flogen auch ordentlich Böller auf den ramponierten Rasen. Ich war so glücklich, fast hätte ich mir eine Träne aus dem Auge wischen müssen. Es hat dann also doch noch geklappt mit einem kompletten Spiel. Aber welcher Fußballreisende hat so eine Situation nicht auch schon erlebt? Am Ende ist es diesmal gut gegangen, aber drei Versuche bekommt man auch nicht oft. Zurück zum Geschehen im Stadion. Auf der Heimseite gab es keinen organisierten Support, lediglich spielabhängige Schlachtrufe und Gepöbel. Mir ist sofort der gute Style der Stadionbesucher aufgefallen. Die Sonnenbrille durfte nicht fehlen, auch nicht die gefälschten Markenklamotten und die Herrenhandtasche. Was aber fehlte, waren Fandevotionalien. Ich habe nicht einen Schal bei den Heimfans entdecken können. Das Spiel war nicht nach dem Geschmack der Fans aus Kavajë und so wurde seinem Ärger ordentlich Luft verschafft. Ein Pressschlag landete im Heimbereich und der Ball wurde erst zurückgegeben, nach dem der Fänger des Balles einem Spieler eine Ansage gemacht hat. Die Tribüne hat sich kaputt gelacht. Es ertönte der Pausenpfiff und normalerweise ist das die Zeit, um zu quatschen oder sich ein Bier zu holen, aber nicht hier. Ohne, dass sich das angedeutet hätte, begann eine wilde Pöbelei und sogar der Versuch eines Angriffs, sogar die Dorfbullen mussten eingreifen. Es wechselten Böller und Rauchtöpfe im Sekundentakt die Seiten, herrlich. Mit Wiederanpfiff war der ganze Spuk wieder vorbei. Sehr seltsam das ganze, aber ich will mich nicht beschweren. Das Spiel wollte nicht in Schwung kommen. Es gab überhaupt keine Chancen. Und obwohl der Schiedsrichter alles versucht hat, Besa zum Sieg zu verhelfen, blieb es beim 0:0. Eine Sache hat mich fasziniert, nahezu jeder Stadionbesucher aus Kavajë hat die Polizisten im Stadion (die hohen Tiere) begrüßt. Es wurde sich umarmt, Kippen ausgetauscht und zusammen Sonnenblumenkerne dezimiert. Ist vielleicht in Albanien normal und man merkt auch, dass die Cops, durch die Nähe zu den Menschen, öfter mal ein Auge zugedrückt haben, aber für unsere Breitengrade kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen.Überglücklich fuhr ich zurück zur Familie und konnte die restlichen Urlaubstage genießen.
Neben den oben angeführten touristischen Highlights, kann ich jedem noch Berat, die Stadt der 1.000 Fenster ans Herz legen. Besonders nachts absolut spektakulär. Allerdings sollte man Hunde mögen. Und die Brücke „Ura et Mesit“, die 15 Minuten hinter der Stadt Shkodra liegt, sollte man mit auf seine Liste aufnehmen. Die 108 Meter lange Brücke war wichtiger Teil einer Handelsroute und wurde bereits von den Römern benutzt. Meine Frau bat mich noch zu erwähnen, dass es sich bei der Brücke um die längste und best erhaltene, osmanische Brücke handelt. Fühlt euch bitte bestens informiert.
In diesem Sinne, Mirupafshim, Serge
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