An unseren letzten Tag stand das Heimspiel Sarajevos in Zenica gegen die Gäste aus der Republika Srpska von Borac Banja Luka an. Dieses Spiel ist durch eine ausgeprägte Feindschaft gekennzeichnet und sorgt jedes Mal für eine große Anspannung bei den Bordo-Bijeli.
Daher ist es eigentlich kaum zu glauben, dass die Fans aus Banja Luka und Sarajevo vor dem Krieg freundschaftliche Kontakte hatten. Als ich diese Info im Navijači, Kibicowski przewodnik po byłej Jugosławii, dem Fan Guide des ehemaligen Jugoslawiens, erschienen über das TMK, aufschnappte, dachte ich erst, niemals! Ich durfte jetzt schon einige Spiele gegen Borac sehen und das Erlebte war doch zu derb um diese Worte zu glauben. Klar ich weiß natürlich , dass beim TMK absolute Fan Profis am Werk sind, trotzdem fragte ich, die Antwort kennend, bei einem Diaspora nach. Seine Antwort: Jap. Vor dem Krieg. Andere Zeiten andere Sitten.
Dass die Heimspiele im knapp 70km entfernten Zenica ausgetragen werden müssen macht es für die Hordasi auch nicht einfacher. In der Stahlstadt ist der Rivale Čelik (Stahl) mit der lokalen Fanszene den Robijaši beheimatet. Auch zu diesen gibt es eine ausgeprägte Rivalität und es gibt öfters Scharmützel, wenn die Jungs aus Sarajevo durch Zenica zu ihren Auswärtsspielen fahren. Durch die neue Autobahn muss man zwar nun nicht mehr direkt durch die Stadt und am Fanhaus vorbei, aber so eine Autobahn bietet natürlich auch einen gewissen Spielraum für Angriffe. Die lokale Fanszene der Rotschwarzen, ist eigentlich auch ein paar Worte wert, obwohl sie heute nicht in Erscheinung getreten ist. Der Verein wird teilweise durch die Fans geführt. Nachdem Corona bedingten Abbruch der Saison 2019/20 stand nur ein elfter Platz und der Abstieg, es kam aber noch schlimmer und der türkische Investor zog sich zurück. Letztendlich stand der Verein vor einen Scherbenhaufen und musste den Gang in die vierte Liga antreten. Die Fans versuchen nun ihren Klub wieder in die Erfolgsspur zu bringen. Was aber Čelik noch einzigartiger macht ist die Zusammensetzung der Fanszene. In ihr sind sowohl Bosnier, Kroaten und auch Serben vertreten. Schon vor dem Bürgerkrieg lebten die verschiedenen Ethnien friedlich zusammen. Das große Stahlwerk lockte mit sicheren Arbeitsplätzen. Nachdem Krieg änderte sich dies, aber die Stadt behielt ihren multiethnischen und toleranten Charakter. Eine Fanfreundschaft pflegen die Robijaši in das rote Graz, zum GAK.
Am Stadion, dem Stadion Bilino Polje, mit dem markanten Hochhaus im Hintergrund, trennte ich mich für 90 Minuten von der Gruppe und schaute das Spiel zwischen anderen Sarajevo Fans auf der Haupttribüne. Schon bei unserer Anreise am Mittwoch, fiel uns die schlechte Luft in und um Zenica auf. Wir hielten auch an der neuen Autobahn kurz an und der Blick auf die Stadt mit der qualmenden Stahlfabrik erinnerte mich an die Industrieanlagen in Charleroi mit ihren stillgelegten Betrieben, wo M. und ich im März waren:
Es qualmte die Industrieanlage und die vielen kleinen Feuer der Einwohner, welche ihr Laub und den Verschnitt ihrer Bäume verbrannten um die Wette. Den Preis für den größten CO2 Ausstoß gewann der Stahlkoloss. Aber für die Penetranz definitiv die vielen kleinen Rauchsäulen. Einfach nur eklig. Apropos Rauch, Horde Zla legte ein Rauchshow aufs Parkett, dass man als Fotograf nichts mehr falsch machen konnte. Bunt und massiv. Ein schönes Bild. Ich hoffe nur, dass die Bewohner der hinter der Kurve liegenden Hochhäuser nicht ihre Fenster offen gelassen haben und Cevapcici essen gegangen sind. Sonst wären die Wohnungen zu Räucherkammern mutiert. Schön eingenebelt alles. Die Elf auf den Platz rang die Gäste auch mit einen 1:0 nieder und die Abneigung des Heimpublikums gegen die bosnischen Serben wurde im weiteren Spielverlauf immer deutlicher. Sie kulminierte in einer geflogenen Kugelbombe in den Strafraum der Gäste. Keine Reaktion seitens der Spieler, Zuschauer oder den Schiedsrichtern. Nur ein Deutscher auf der Haupttribüne ließ ein lautes Hui von sich hören. Da hatte ich mich wohl ein wenig erschreckt. Nachdem Siegtreffer wurden bei HZ noch einige schön verteilte Bengalen gezündet und da man sich in Bosnien nicht groß vermummt, brannte der Block schon als der Ball noch gefühlt im Tornetz zappelte. Die Fans um mich herum feierten auch die gleichzeitige Niederlage Željos, welche ihr Heimspiel gegen Zrinjski Mostar verloren und so der FK Sarajevo in der Tabelle oben dran bleibt. Für uns hieß es nach dem Spiel danke zu sagen, viele Hände zu schütteln und die Freunde zu umarmen. Es lag eine lange Nacht zurück nach Dresden vor uns. Gelohnt hat sich die zeitige Rückfahrt, trotz Müdigkeit, letztendlich auch. (Der Kulturbeauftragte)
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