Es ist der Donnerstagabend und neben der Autobahn 13 auf der Höhe von Radeburg ist ein Viereck hell erleuchtet. Es wurde zum Testspiel geladen und schon kamen wieder aus Nah und Fern die Hopperschweine gekrochen. Da werden sich die Hausherren sicherlich schön die Augen gerieben haben, dass zu so einem anspruchslosen Kick, welcher auch noch auf dem Hartplatz ausgetragen wurde, sich über 50 Zuschauer neben das Spielfeld stellten. Und wie bereits geschrieben: mindestens die Hälfte war nur wegen dem Hartplatz anwesend. Fußball nein! - Hartplatz ja!
Meiner einer hatte auch überraschend Zeit und so konnte ich bereits das 2. Fußballspiel des Jahres 2023 in die Exceltabelle eintragen *hust *hust *hust. Doch wenn ich ehrlich bin, wäre ich bei einem Spiel auf Rasen nicht anwesend gewesen. Denn den besuchte ich bereits im Jahr 2007 gegen Reichenberg. Und in der Rückrunde, also im Jahr 2008 dann, schaute ich mir den gleichen Kick sogar in Reichenberg an. Und beide Male gingen die Radeburger als Sieger vom Platz. Damals, in der 7. Liga, der Bezirksliga Dresden. Und jetzt? Nun sind die Radeburger in der Kreisliga Meißen angekommen und teilen sich die Herrenmannschaft mit der zweiten Mannschaft des LSV Tauscha. Immerhin belegen sie zur Zeit den 4. Tabellenplatz mit 21 Punkten. Doch Fortschritt Meißen-West ist mit seinen 36 Punkten auf dem 1. Tabellenplatz wohl nicht mehr in der Reichweite der Radeburger. Rund 7.300 Einwohner hat Radeburg, aber der Fußball scheint in dieser Karnevalshochburg schon ein wenig tot zu sein. Wenn sich nicht mal 0,25% der Einwohner, also 18 Menschen, für ein Fußballteam finden lassen und dadurch eine Spielgemeinschaft ins Leben gerufen wird, ist dies aus meiner Sicht ein Indiz dafür. Oder die etwas südlich gelegenen Berbisdorfer ziehen alle Spieler und Zuschauer zu sich, weil diese in der Kreisoberliga (also eine Liga höher als die Radeburger) auf Platz 2 stehen und nur 4 Punkte Rückstand auf Weinböhla und somit den möglichen Aufstieg haben.
Diese Gedanken machten wir uns aber nicht während des Spiels. Eher werteten wir deutsche Fanfreundschaften nach zum Beispiel Italien aus. Staunten, dass die Kaputten von Roter Stern Belgrad nach einem Basketballspiel in Norditalien einfach mal nach Rom fuhren und der Fanszene des AS Rom im Vorbeigehen einfach mal eine Fahne klauten. Woraufhin die Roma quasi den totalen Krieg gegen Roter Stern ausrief. Weitere Gedanken waren, wer denn das bundesdeutsche Fanszenen-Lexikon mit allen Freundschaften, Kontakten, Einzelkontakten, Waffenstillständen und so weiter heraus bringt. Ich bin es nicht, denn ich sehe wirklich nicht mehr durch. Da bin ich ganz ehrlich. Und außerdem hatte ich es ja schon weiter oben geschrieben: Fußball nein! Hartplatz ja!
Hartplatz übrigens, also das Spiel auf diesem, war wirklich ganz gut. Schnell, torreich (sogar mit wirklichen Traumtoren mit "Tor des Monats"-Qualität) und ohne Rumgeningel der Spieler, dass doch Spiele auf Hartplätzen die Hölle sind und verboten gehören. Die hielten halt den Mund und zogen es einfach durch. Und dafür wurden sie belohnt. Ganz gut hielten auch die Ebersbacher mit (ca. 8 km von Radeburg entfernt), welche eine Liga tiefer spielen und in dieser auf dem 1. Tabellenplatz stehen. Nach dem Spiel holten sich beide Teams den verdienten Applaus ab. Das Spiel hier auf dem doch gut durchgefrorenen Hartplatz hatte echte Spaß gemacht.
Da frage ich mich wirklich, aus welchen Grund Hartplätze mittlerweile so verpönt sind und jeder Verein schaut, ob irgendwoher eine EU-Förderung für den Bau eines Kunstrasenplatzes (#smrtUMT) abzustauben ist? Ja, Kunstrasenplätze sind pflegeleichter als Rasenplätze und das Verletzungsrisiko ist geringer. Doch Hartplätze sind pflegeleichter als Kunstrasenplätze und auch hier ist das Verletzungsrisiko nicht höher. Die meisten Verletzungen im Fußball entstehen doch durch Fremdeinwirkung, also durch Gegenspieler. Und letzten Sommer sahen wir es doch, dass so manche Kunstrasenplätze für eine bestimmte Zeit stillgelegt werden mussten, weil das Granulat auf dem Platz schmolz und einen großen Klumpen bildete. Da lacht der Hartplatz nur und lässt sich kurz mal mit der Walze plätten und dann ist gut. Und dann noch dieses Geräusch, einem Kratzen ähnlich, wenn der Ball gespielt wird. Das ist doch Musik in den Ohren für Fußballcoiniseure.
Fußballspiele auf Hartplätzen sind wie eine wilde Achterbahnfahrt - niemand weiß, was als nächstes passieren wird! Und dadurch haben diese Plätze ihren ganz eigenen Charme. Ich weiß noch, als ich mit der großen SG Herzogsweiler-Durrweiler auf dem Hartplatz des SV Huzenbach auflief und die Huzenbacher uns komplett dominierten. Kamen sie doch a) mit dem kleinen, also sehr kleinen Platz besser zurecht und b) wussten sie, wie der Ball springen würde. Da waren wir, die vom Rasenplatz verwöhnten Zubasas, doch arg im Nachteil und wunderten uns, wieso unser Teufelsdreier nicht klappte. Da hätten wir erstmal ein paar Monate auf dem Hartplatz in Huzenbach trainieren müssen, um unsere Technik und Ballkontrolle für diesen Platz zu verbessern und erfolgreich zu sein. Wer sich jetzt fragt, wo dieses Huzenbach ist: Das ist ein kleiner Ort nördlich von Baiersbronn im Nordschwarzwald. Und nein, den Hartplatz gibt es dort nicht mehr. Auch dieser musste einem Kunstrasenplatz weichen. Der SV Huzenbach kann sich dafür vor allem eins: von mir als verflucht betrachten.
Jetzt aber genug vom Fußball. Denn in Radeburg gibt es ja auch noch einen Bahnhof, den ihr mit der Schmalspurbahn, der sogenannten Lößnitzgrundbahn, von Radebeul aus ansteuern könnt. Und das lohnt sich schon. Ein wenig mit der Dampflok durch die Gegend kutschen ist die schlechteste Wahl nicht, oder? Die 16,5 Kilometer lange Strecke geht schon gut rein. (goju)