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10.04.2022, 16:00 Uhr
Botafogo de Futebol e Regatas – Sport Club Corinthians Paulista
Rio de Janeiro, Estádio Olímpico Nilton Santos
Série A – 36.898 – 1:3
geschätzte Lesezeit ca. 11 Minuten


Das letzte Spiel im ersten Block unserer Reise sollte uns in den Stadtteil Botafogo führen. Dort spielt im Estádio Olímpico Nilton Santos der Verein Botafogo de Futebol e Regatas. Da in Brasilien Rudersport sehr populär war, gründeten sich einige Vereine als Rudervereine. So hat zum Beispiel auch der heutige Gast zwei Ruder im Vereinswappen. Gespielt wird seit 2008 im Mehrzweckstadion, welches für die panamerikanische Spiele 2007 gebaut wurde und somit also relativ neu ist. Doch bevor wir die 45-minütige Fahrt raus nach Botafogo mit dem Mietwagen antraten, da morgen ein Strandtag in Paraty geplant wurde, um dann übermorgen weiter zum Airport São Paulo-Guarulhos zu fahren, von wo aus es nach Buenos Aires geht, wurde der Zuckerhut eines der Wahrzeichen Rios besucht. Unten an der ersten der zwei Seilbahnstationen kapitulierte M. vor der Höhe und ob des Schaukelns der Teile. Ich versuchte alle meine pädagogischen Werkzeuge aus meinen bunten Potpourri (Hallo Serge) an Überredungskünsten zu ziehen, aber M. war nicht zu überzeugen. Sehr schade, da stehst du am anderen Ende der Welt unterm Zuckerhut und traust dich dann nicht in die Seilbahn. Unser Südbrandenburger jammerte auch schon fleißig rum, aber als wahrer Dynamo-Krieger zog er durch. Gut, er riss einer Frau beim Aussteigen fast den Arm ab, da er befürchtete durch die Spalte zwischen Gondel und Plattform, welche utopische 15cm betrug, zu stürzen, aber er biss sich durch. Da schreibt die Presse mantraartig wie schlimm die Dynamofans sind und dann sowas. Also ich denke die Presse übertreibt.
Beim Umstieg in die zweite Gondel, positionierten wir uns richtig gut und standen wie 8-jährige vorm Schaufenster des Intershops zu DDR-Zeiten und drückten uns die Nase an der Frontscheibe platt. Diesmal wurden nicht mit offenen Mündern die Matchboxautos begutachtet, sondern der große Berg in Form eines Zuckerhutes. Deshalb auch der Name. Im portugiesischen heißt er aber Pão de Açúcar („Zuckerbrot“), da früher die Seefahrer den Rohrzucker zu Blöcken formten und ihn so nach Europa zu verschiffen, die sogenannten Zuckerbrote.
Oben angekommen genossen wir die großartige Aussicht. Schon wenn ich darüber schreibe bekomme ich Glücksgefühle, hach war das herrlich. Wir konnten den Praia de Copacabana oder die Bucht von Guanabara sehen. Auch ließen wir uns wieder viel Zeit und genossen diese mit Eis und Bier. Beim Gruppenbild machen drängelten wir uns dann etwas vor, was eine ältere Frau mit Kopfschütteln und einem grimmigen Gringos grrgrrgrr abtat. Nun dann.
Im kleinen Bambuswald welcher Richtung der Bucht Guanabara liegt, wurde noch gemütlich spazieren gegangen und die kleinen Äffchen in den Bäumen begutachtet. Putzig, das hätte M. gefallen.
Am Stadion dann natürlich gut was los und ein Riesenstau schon weit im Voraus. Interessant war auch immer, ich nenn es mal Unterhaltung mit privaten Parkplatzeinweisern. Die Jungs ziehen sich eine Weste an und versuchen professionell die Fans zu den freien Parkplätzen zu lotsen. Sie erhoffen sich dadurch ein Trinkgeld. Tja und wenn dann sechs Gringos grrgrrgrr um die Ecke kommen, sind die natürlich die VIPs. Also nach 15-facher Verneinung ihrer Dienstleistungen und 30-facher Aufforderung englisch zu reden, fuhr man weiter und fand endlich einen Parkplatz. In einer größeren Garage, natürlich wir nun als letztes Auto vor dem Tor. Ich muss wahrscheinlich nicht erwähnen wer nach dem Spiel als letzter um die Ecke kam und in die genervten Gesichter der Wartenden gucken durfte.
Vorm Stadion war wieder die Hölle los. Grillstände, Bier, wummernde Musik, singende Fans, Böller…. Herrlich!
An den Grillständen gab es immer verschiedene Varianten von Fleischspießen, mit Wurst, Rind und Hühnchen. Laut dem Sportlichen auch mit Fisch - diese Behauptung konnte wir aber nicht teilen. Vielleicht war auch nur sein Fleisch schlecht.
Und dann kam das Intro der Botafogfans. Ich schreib extra nicht von der Torcida. Das ganze Stadion schrie sich die Seele aus dem Leib. Also ich kann nicht sagen, wo ich in einem Fußballstadion schon mal etwas Lauteres gehört habe. Wir konnten uns nicht unterhalten, da flog dir das Toupets weg. Zum Intro schreib ich nicht viel, schaut euch die Bilder an.
Nur so viel, ich hatte echt Bedenken, dass das Gestell an welchen das Trikot hing, abreißt und in die Fans stürzt. Zuerst zog es sich schräg hoch, dann hatten die Fans das Trikot nicht losgelassen und das ganze Gestell bog und bog sich. Gott sein Dank, ist dann nichts passiert.
Wir natürlich schön fleißig an Fotos und Videos machen, gefühlt ist die Speicherkarte schon voll und die spielen noch nicht mal. Leider konnte diese wahnsinns Atmosphäre nicht lange gehalten werden. Botafogo FR lag zur Pause schon 0:3 zurück. Dafür kann ich nun zu den Gästen kommen. Um die 4.000 hinterm Tor. Mit sehr guten Zaunfahnen. Uns gefiel vor allen die Macabra, wo die Buchstaben mit Knochen geschrieben waren.
Die Torcida von Corinthians wirklich sehens- und hörenswert. Beim näheren ranzoomen und den betrachten der Fotos, war wirklich gutes Potenzial dabei. Das sah definitiv nach Fußball aus.
Was uns wunderte und auch nicht zu übersehen war, es gab zwei Stimmungszentren in der Kurve, ein Teil kam auch locker erst zur Mitte der ersten Halbzeit in den Block, gut an den weißen Nickis zu erkennen. Es wurde nicht einmal zusammen gesungen, was natürlich auch optisch einen Kontrast darstellt, die eine Bande am rumspringen, die Andere hält die Nickis hoch und um danach mit ihnen zu wedeln.
Aber da ihr Team auf den Platz nichts anbrennen ließ, hatten sie das Estádio Olímpico Nilton Santos natürlich im Griff. Da half auch das 1:3 für die Heimmannschaft nichts mehr. Botafogo versuchte aber trotzdem, dass die Gäste hier keinen Abriss feiern konnten und sie gaben für ihre Farben alles. Man, man, man: wenn die hier gewonnen hätten, wär das Dach weggeflogen. Der Stille Teilhaber diskutierte derweil mit den mobilen Cerveja Verkäufer, dass der Gute doch bitte den Becher schräg halten muss, wenn er die goldene Flüssigkeit von der Dose in das Plastikgefäß füllt. Manchmal, aber nur manchmal sind wir schon ein paar Hampelmänner und ich will nicht wissen was die Fans um uns herum gedacht hatten, als der Gringo aus Deutschland laut plärrt „ mache den Napp voll“ um dabei eine eingießende Handbewegung zu machen.
Was ich auch noch unbedingt erwähnen muss und so auch noch nie erlebt habe, war der Toilettengang in der Halbzeit. Es spielten sich dort Szenen ab, wo wir uns fragten ob wir im Zoo wären. Ja es war übelst voll, ja man musste ewig warten um seine Notdurft zu verrichten, aber was wir da gesehen haben Junge Junge, dagegen wirkt das Pissen in einen Ostblock-Bierbecher im Stadion wie Kindergarten. Die Leute haben an die Wand gepisst, an die Wand! Der Boden voller Pisse. Man hat nur noch aufgepasst keine Spritzer ab zu bekommen. Man hat sich quasi gegenseitig bepisst. Ein Brasilianer bemerkte wie ich wie angewurzelt und ungläubig da stand und schob mich zum Glück einfach aus Pissmoloch raus. Nicht falsch verstehen das WC war neu und ordentlich, aber wer kommt denn auf die Idee, joar er muss nun pissen, geht in einen Raum, noch dazu eine Toilette und stellt sich an die Wand und lässt laufen und dass waren einige. Geht doch draußen pinkeln pfui sag ich da nur pfui.
Ok weiter im Text….
Nachdem man gekonnt, wie ich oben schon geschrieben hatte, die wartenden Gesichter der hinter uns Parkenden ignorierte, ging es schon zwei Stunden Richtung Paraty. Dort hatte BanjaLucas einen schönen Strand rausgesucht.
Nur hatten wir den oder die Staus auf der Strecke nicht mit eingerechnet. Des Weiteren, lüsterte zwei Drittel der Besatzung nach Bier, es war auch verdammt heiß. Alles summiert ergab dann eine Ankunftszeit welche zwei Stunden hinter der Anvisierten lag.
Also wurde erst gegen 22:00Uhr das reservierte Apartment erreicht. Es regnete, es war dunkel und es machte keiner auf und das Drama nahm seinen Lauf. BanjaLucas rief mehrmals bei den Betreibern an. Irgendwann ging mal eine schwache Stimme ans Telefon. BanjaLucas sagte auf Englisch das wir vor dem Tor des Hauses stehen, die schwache Stimme antwortete auf, na logisch, portugiesisch. BanjaLucas wieder und noch höflich:
„We park in front of the gate.“…Stille….
 
Ok dann wurde er nach vier Stunden Fahrt und vier Jungs die gut dabei waren deutlicher:
„We have reserved a room, we park in front of the gate.“
 
Wer jetzt denkt es gibt eine Antwort, der denkt auch Energie Cottbus ist apolitisch unterwegs…..natürlich stille am anderen Ende der Leitung und…..sie legt auf. Nun schwangen sich zwei von uns aus dem Mietwagen um ans Tor zu klopfen. BanjaLucas hinterher, um ein Foto zu knispten, im Scheinwerferlicht, Nachts im Regen und wir klopfen gegen das Metalltor. Kurz nachdem das Bild gesendet war, wurde er blockiert. Geil ... da standen wir nun, wie Jenaer welche nicht in die Pivnice in Nestemice kommen, weil sie Kofola bestellen würden. Alle am Diskutieren. Aber es half nichts wir standen vor dem verschlossenen Tor und wurden blockiert. So wurden die Handys angeworfen und wir fanden ein freies Apartment in Conceição de Jacarei. War nicht weit entfernt. Wir wurden auch erst verwundert empfangen, aber es wurde schnell und unkompliziert alles geklärt. Also gegen 23:30Uhr konnten wir die zwei Zimmer beziehen. Zimmer 1 die Alte Garde, sprich Der Südbrandenburger, Der Stille Teilhaber und meine Wenigkeit Der Kulturbeauftragte. Zimmer 2 die Jungend heißt BanjaLucas, Der Sportliche und M. Nun wurde eine Pizzeria in dem kleinen Ort noch gemeinsam angesteuert, aber als es darum ging auszutrinken, lieferten nur die alten Hasen. Es war wieder urst gemütlich ein Caipi nach dem anderen wurde bestellt und wir mussten aufpassen nicht komplett zu versacken.
Auf dem Weg zum Apartment liefen wir an einigen Bars vorbei, wo die Einheimischen noch nicht genug hatten und die Mädels waren auch sehr angetan, als drei Gringos vorbeikamen. Eine twerkte mich auch noch an. Ok da musste ich doch herzhaft lachen.
Im Apartments ging auch sofort das Licht aus. Am nächsten Morgen als wir die Fensterläden öffneten, realisierten wir erst in welchen schönen Ort wir hier übernachtet haben. Es lag eine kleine Bucht vor uns, mit einen kleinen aber feinen Sandstrand und als Sahnehäubchen gab es noch eine kleine grüne Insel in eben dieser Bucht. Na Gott sei Dank haben die uns gestern Abend in den anderen Ort nicht aufgemacht. Apropos gestern Abend. BanjaLucas bekam am Morgen eine Nachricht der wahren Vermieterin des Apartments, in welcher sie sich entschuldigte, dass die Übernachtung nicht funktionierte. Da sie noch nicht lange mit Booking zusammen arbeitet hatte sie ausversehen die Telefonnummer ihrer Mutter angegeben. Nun wurde uns natürlich einiges klar.
Kein Wunder, dass die arme Frau auflegte wenn ein Ausländer sie nachts anruft, an ihr Tor klopft und ein Foto davon schickt. Nun BanjaLucas bekam auch sofort das Geld zurück überwiesen und wir hatten eine Anekdote mehr.
So wurde sich ins Mietauto geschwungen und Richtung Strand, Meer Baden, Caipi, gutes Essen und was weiß ich noch geschwungen.
Auf der Fahrt sahen wir noch die Nachwirkungen der starken Regenfälle der letzten Woche. Leider kostete dies auch 16 Menschen das Leben. Starke Erdrutsche versperrten auch noch bis kurz vor unserer Reise die Straße. Die brasilianischen Arbeiter wuselten auf der ganzen Strecke um den Schlamm, riesige Felsbrocken und Bäume zu beseitigen. Bevor es dann hieß in die Fluten zu springen liefen wir noch durch die historische Altstadt von Paraty. Die alten Gassen mit ihren weißen Häusern und den bunten Fenster-und Türrahmen machten was her. Die großen Pflastersteine mit welchen die Straßen gebaut wurden, mussten im 17. Jahrhundert von Sklaven der Kolonialmächte verlegt werden. Bei Überschwemmungen fließt dann auch das Wasser durch die Gassen. Auch hier waren wie auf der Strecke die Nachwirkungen davon sichtbar. Am alten Hafen wurden noch frische Kokosnüsse gekauft, von einem älteren Herrn mit der Machete für uns geöffnet und ausgetrunken. Jetzt war Urlaub angesagt.
Nach kurzen 30 Minuten Fahrt und ein bisschen im Urwald versteckt tat sich der Strand "Trinidade" vor uns auf. Die Anfahrt über eine enge steile Straße mit natürlichen Hindernissen wie Geröll, Wasser und Steinen wurde erfolgreich gemeistert. Die rauchenden Bremsen des Fiat Duplo freuten sich genauso wie wir auf das Bild was sich auftat. Einfach herrlich und die Meute wollte nur noch raus aus dem Auto. Wir fuhren die Straße des kleinen Küstenortes bis zum Ende und wurden gleich wieder freundlich vom Parkplatzbesitzer begrüßt (Gringos bekommen immer eine besonders freundliche Begrüßung, woran das wohl liegt). Wie der Zufall es wollte lag direkt gegenüber ein Restaurant mit Strandterasse in der sich die Luis erstmal stärkten um sich dann eeeeendlich in die Fluten zu stürzen. Was dann folgte war eine mehrstündige Wellenorgie. Mit Wellen doppelt so hoch wie Der Südbrandenburger. Manche sagen man hätte hier locker 2 oder 3 Tage entspannen können, allerdings rief der nächste Tag mit dem Flug nach Buenos Aires und die noch fünf Stunden Fahrtzeit dorthin, sodass am Ende der Verstand und nicht das Herz entschied, gegen 18 Uhr bei Sonnenuntergang aufzubrechen.
Es wurde ein Hotel ca. eine Stunde vor Sao Paulo gebucht und die Fahrt dorthin erwies sich quasi als Aufstieg zum Mount Everest mit dem Auto. Stimmen zufolge wurde an der engen kurvigen Straße Reinhold Messner ohne Atemgerät gesichtet. Ein absolut abenteuerlicher Weg, welcher für Nachtfahrten nicht geeignet ist. Teilweise hat man keine 3 m weit gesehen, da der Nebel einen die Sicht völlig versperrte. Als wir über den Pass drüber waren lockerte sich die Sicht und Stimmung und für den Rest der Fahrt spielte das komplette Auto Spieler raten von Verein XY. Es wurde ein Verein genannt und reihum ein Spieler gesagt, lag man falsch oder wussten niemanden wurde einer von 5 Punkten abgezogen, man merkte schnell wer sich im aktuellen Fußball auskennt und wer mit Ran und Ranissimo sozialisiert wurde. Das Grande Finale war Alemannia Aachen und unsere  zwei Finalisten hauten sich minutenlang irgendwelche Spielernamen um die Ohren, wo ich dachte, die veralbern uns doch, der Sieger nennen wir ihn mal BanjaLucas verdiente sich seine Trophäe, in Form von..... nichts. Im Hotel an gekommen wurde relativ früh das Licht ausgeschaltet, um am nächsten Tag fit zu sein, da wir pünktlich am Flughafen erscheinen wollten. Dieser Plan hört sich einfach an, kostete uns aber allerhand Nerven.
(Der Kulturbeauftragte)


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Author: kopane.de

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