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10.08.2024, 15:00 Uhr
Sportclub 1903 Weimar e.V. – FSV Wacker 90 Nordhausen e.V.
Weimar, Sportplatz am Lindenberg
Thüringenliga – 271 Zs. – 1:2
geschätzte Lesezeit ca. 7 Minuten


Gibt es eigentlich etwas Besseres, als ein Spiel zu besuchen, wo 1. zwei kleine (und dieses Adjektiv ist definitiv nicht negativ behaftet) Fanszenen aufeinandertreffen treffen 2. ein richtiges feines Stadion, mit DDR-Feeling besucht und 3. eine Stadt mit Geschichte und reichlich Sehenswürdigkeiten besichtigt werden kann? Mmh, ich muss nicht auf alles antworten, oder? Meine Freunde der Sonne ich hatte Laune. Klara schien auch das ganze Wochenende ausdauernd und war ein treuer Begleiter für mich. Onkel Serge lag leider mit aufgeschnittenen Kiefer zu Hause flach und musste eine Schmerztablette nach der Anderen schlucken. Scheiß Weisheitszähne. Zum Glück ging dieser Kelch an mir vorbei. Und meine Mademoiselle war mit den Jungs noch im Frankreichurlaub. Ich bin aus diesen seit 3 Tagen zurück. Proletarier aller Länder vereinigt euch. Ich überlegte eine Weile hin und her, doch dieses Spiel, bzw. auch das Morgige machten Lust. Also hin da. So konnte ich endlich mal den Sportplatz Lindenberg mit seiner Kulturstadtmafia besuchen. Auch dass der Gegner aus dem nordthüringischen Nordhausen eine eigene Fangruppe, die Ultras Nordhausen besitzt, machte es zusätzlich interessanter. Am Sonntag war ein Besuch beim EFC Ruhla 08 und seinem Stadion Mittelwiese geplant. Ok nur die Zweite Mannschaft, aber hey, ihr wollt die Schnecke, ihr kriegt die Schnecke.
 
Rainald Grebe singt in seinem Lied Thüringen:
„Das Land ohne Prominente“ und
„David Bowie ist auch schon einmal drüber geflogen“
 
Jaja. Gott, wie oft haben wir schon bierselig auf Fußballfahrten die Hymnen des gebürtigen Wessis über Ostdeutschlands Bundesländer mit gegrölt. Der Kölner Kabarettist und Liedermacher spielt mit den Klischees und das mögen wir ja. Samstag früh ging es dann zeitigst los, der Kulturbeauftragte wollte genug Zeit in der Kulturstadt Weimar haben und rollte mit der Landeswelle Thüringen in Weimar ein. Zwischen Sportplatz Lindenberg und Hotel ab geparkt, man ist ja nicht mehr der Jüngste und Richtung Zentrum gelaufen. Das Erste, was mir vor die Linse kam, war das Stadtschloss Weimar. Die Sternbrücke welche euch trockenen Fußes über die Ilm führt, hinter sich gelassen, steht man vor der ehemaligen Residenz, welche über Jahrhunderte Dichter, Denker, Künstler und Komponisten ein Dach über den Kopf bot. Heutzutage ist ein Foto von außen ok. Im Innenhof drehte ich gleich Richtung Marktplatz um. War nichts. Angekommen tobte ich mich erstmal mit Fotos aus. Ein schöner Ort würde man in Südbrandenburg sagen. Das Gasthaus -Zum Schwarzen Bären- lächelte mich mit seinen lokalen Ehringsdorfer Bier an. Das Bier aus Weimar. Die Traditionsbrauerei Weimar-Ehringsdorf hat seit 175 Jahren ihren Sitz hier und braut dort das Ehringsdorfer Urbräu, mit seinem feinherben ausgereiften und eleganten Geschmack. So stand es jedenfalls in der Speisekarte. Ein gutes Bier. Das  Glockenspiel am Rathaus um 12:00Uhr war eine angenehme Hintergrund-Beschallung. Ihr akustisches Werk geht sie seit 1929 nach. Mahlzeit.
 
Weimar ist seit 1998 im UNESCO Welterbekomitee unter „Klassisches Weimar“ eingetragen. Es gibt hier zwar nicht die Wahnsinnsbauten, aber die UNESCO würdigt „die große kunsthistorische Bedeutung öffentlicher und privater Gebäude und Parklandschaften aus der Blütezeit des klassischen Weimar“. Große deutsche, aber auch ausländische Dichter, Denker und Künstler kamen hierher.
 
Goethe kam 1775 durch  Carl Augusts (Herzog von Sachsen-Weimar) in die Stadt. Mit Unterbrechungen blieb er bis zu seinem Tod 1832. Auch Friedrich Schiller wirkte hier. Er arbeitete mit Johann Wolfgang von Goethe zusammen und beide sind gemeinsam in der Fürstengruft auf dem neuen Weimarer Friedhof beigesetzt.
Weimar spielte im 3. Reich auch eine unrühmliche Geschichte und hat dadurch dunkle Zeiten erlebt. Die Stadt sollte laut den Nationalsozialisten zur Mustergauhauptstadt ausgebaut werden. Beispiele dafür lassen sich heute noch finden. Das Alte Funkhaus oder am Weimar Atrium, dort stand früher die Halle der Volksgemeinschaft bzw. der Anfang, denn der Bau wurde nie vollendet. Die Nationalsozialisten wollten dort eine der größten Kult- und Versammlungsstätten in Thüringen bauen. Außerhalb von Weimar, auf dem Ettersberg, liegt das KZ-Buchenwald. Es war mit seinen 40 Hektar das größte Konzentrationslager auf deutschen Boden. Ich überlegte, ob ich am Sonntagvormittag die Gedenkstätte besichtige. Doch ich war schon mindestens zweimal dort, mit meinen Eltern und der Schule. So plante ich in Weimar zu bleiben und mir das Schloss Belvedere anzuschauen.
 
Nach dem Mittagessen war ein Verdauungsspaziergang vonnöten und so ging es gediegen zum Römischen Haus durch den Park an der Ilm und von dort zum Sportplatz. Eigentlich war der Plan sich hier ein schattiges Plätzchen zu suchen und abzumatten. Aber, dass ich sowas mal sage, der Park lädt förmlich zum Spazierengehen ein. War wirklich schön und grün hier. Nach dem Römische Haus, den Dessauer Stein, dem Nadelöhr, Tempelherrenhaus und Sowjetfriedhof war das Mittagessen verdaut. Dachte ich zwar, aber später mehr dazu. Am Sportplatz  Lindenberg angekommen, 5 € bezahlt und ein Apoldaer in die Hand bekommen. Einmal orientiert wurde Pasa und Josef vom -Jozin jest w trasie- ab gegrüßt. Unter der Haupttribüne sitzend konnten beide Fanblöcke begutachtet werden. Die Gegengerade vom SC Weimar startete ihr erstes Heimspiel in diese Thüringenliga-Saison mit einer Choreo, welche mit Pyrotechnik versehen war. Hätte ich einen Hut auf, würde ich ihn ziehen. Touché. Sechste Liga, mehr geht nicht. Eine kleine Spende landete logischerweise in der Choreo-Spendenbox. Volle Fahrt in Liga 6 wurde auf der Gegengerade als Fronttransparent dargestellt. Dahinter eine Süd-Thüringen-Bahn mit aufgesprühten SCW Graffiti. Es wurde Rauch in den Vereinsfarben und Bengalos, an Kabelrohren befestigt, gezündet. Die Ultras Nordhausen mit stabilem Support. Sie waren quantitativ doppelt so groß, wie der Heimblock. Hinter ihren Gesängen war ordentlich Druck dahinter. Von beiden Seiten würde ich sagen…… Fußball!
 
Seit 1961 spielt der SC Weimar kontinuierlich auf dem Sportplatz Lindenberg. Damals noch unter den Namen BSG Motor Weimar. Nachdem Albert-Kuntz-Sportpark, das Stadion des heutigen Gastes aus Nordhausen, ist der Sportplatz Lindenberg die zweitgrößte Spielstätte in der Thüringenliga. Am östlichen Stadtrand gelegen, fühlt man sich irgendwie automatisch wohl. Die überdachte Haupttribüne ist relativ gut in Schuss und sah schon zur Platzweihe am 31. Juli 1921 fesch aus. Ihr aktuelles Aussehen erhielt sie 2000, da sie nach einem Sturm im Jahr 1999 starke Schäden erlitt und abgerissen werden musste. Der Verein war auch ein Teil der vielen willkürlichen Kapitel der DDR-Sportgeschichte. Als damalige Turbine Weimar belegte man in der DDR-Oberliga den drittletzten Platz, soweit so schlecht.  Es gab damals vier feste Absteiger, doch da die Anderen drei alles Berliner Klubs waren, VfB Pankow (Tabellenletzter und Wohnort der Regierenden), Union Oberschöneweide und Lichtenberg 47 gingen kurzerhand mit den Thüringern nur Lichtenberg runter. So schloss sich, bis heute, das Kapitel der Erstklassigkeit für den Sportclub.
 
Die Vereinsfarben des SCW, finde ich, sind mal eine richtige coole Farbkombination und machen echt was her. Mich wunderte wie locker beide Fangruppe eigentlich nebeneinander standen, die Trennung durch 2 bis 3 Ordner war definitiv keine. Auch der Fotograf der Ultras Nordhausen kurz am Quatschen am Heimblock. Es gab keine Pöbeleien oder Anti-Gesänge. Das war für den aufmerksamen Stadionbesucher sofort ersichtlich. Einige Hopper bzw. Hopper-Gruppen konnten wahrgenommen werden. Doch heute gab es keine bösen Blicke. Alles entspannt, auch von den Heimfans. So konnte in Ruhe Fußball geschaut werden. Das kann man ja ruhig mal erwähnen. Ein Fotografen-Kollege aus Plauen, die Badkurve war mit drei PKW als Unterstützung für ihre Freunde von UN angereist, bestätigte mir dies dann auch. Beide Fanszenen vereinbarten kurz vorm Spiel, dass es hier keinen Stress gibt. Find ich vernünftig. Unabhängig wer hier die größere Power gehabt hätte. Ein paar Cops standen am Eingang und hätten wohl gleich nach Verstärkung durchgefunkt und es hätte hier nur Verlierer gegeben. Wacker konnte relativ spät das 1:0 für die Schwarz-Gelb-Grünen in einen knappen 2:1 Auswärtssieg drehen. Der Ausgleichstreffer wurde von den Gästefans überhaupt nicht bejubelt. Es wirkte so, als ob sie, am anderen Ende des Spielfeldes, das Tor überhaupt nicht mitbekommen hätte. Aber wie geschrieben der Favorit aus Nordhausen schaffte den Siegtreffer zu setzen und nun jubelten die blau weißen Fans auch standesgemäß. Die zweite Halbzeit lümmelte ich beim Stammleser Pasa, Josef und den Plauener Fotografen samt Family rum. Sehr angenehm. Bei den Schalparaden gingen die Objektive reflexartig nach oben. So konnte bei der Kulturstadtmafia ein blau weißer Schal erkannt werden. Ich dachte nur, ich schau später mal welcher Verein das ist. Doch Pasa ließ die Katze aus dem Sack, indem er mir berichtete, dass es eine Freundschaft zu den Eishockey-Fans der Dresdner Eislöwen gibt. Weiterhin gibt es eine Freundschaft zu den Fans des Brandenburger SC Süd und zwar zu der Gruppe Ultimo Branne. Diese hatte aber heute ein eigenes Match und war nicht vor Ort. Das Spiel plätscherte vor sich hin, beide Fangruppen aktiv, bestes Wetter, das Apoldaer kalt. Abpfiff, noch eine rote Brause für den Weg zum Auto geholt und abhaun. Wurde auch dringend nötig. Am Nachmittag gönnte ich mir ja im Restaurant „Zum Schwarzen Bären“ am Marktplatz ein paar lokale Biere und zum Essen einen vegetarischen Champignon und Klöße Teller. Schon am Ende des Spieles bemerkte ich Ungereimtheiten im Magen-Darm-Trakt. Gott hatte ich Wanstrammeln. War nicht mehr feierlich. Im Hotel dann Feuer frei. Ihr wisst, was ich meine. Erlösung pur. Ich denke, es war der Lauch, welcher inflationär auf dem Teller rumlungerte. Nach einen bisschen ausspannen ging es noch mal raus in die Stadt. Im Eurocafe wurde letztendlich eingekehrt, das Ehringsdorfer  kostete nur 2,60 €. So blieb ich dort eine Weile und habe schon mal angefangen diesen Spielbericht zu schreiben. (Der Kulturbeauftragte)


Eine neue Ausgabe des "Abhaun!" ist erschienen. Nach 11 Jahren geht die Abhaun-Reihe mit der 6. Ausgabe weiter. Ein Klick auf das Bild bringt euch zu den weiteren Informationen.





Stadtschloss Weimar

Rathaus

Goethe-Schiller-Denkmal

Römischen Haus

Nadelöhr

Sowjetischer Ehrenfriedhof

Tempelherrenhaus



Weitere Begegnungen zwischen diesen zwei Mannschaften:
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Author: kopane.de

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