Irgendwann im August kam vom Kostverächter eine Nachricht samt Bild und der Frage „Interesse?“ bei mir an. Das Bild angeschaut, aufgeregt auf dem Stuhl hin und her gerutscht und „Na klar.“ geantwortet. Denn ein Fußballspiel sollte in einem Stadion stattfinden bei dem die Gedankengänge bisher immer „Schön wäre es.“ und „Nie im Leben.“ waren. Und plötzlich kam der PSV Braunschweig e.V. um die Ecke und sagte: „Joar, geht los. Zutritt zum Spiel nur nach vorheriger Anmeldung.“ Also den Kostverächter, den Der Kulturbeauftragte und mich angemeldet und dem Der stille Teilhaber die Info auch noch zukommen lassen, welcher dann auch zusagte und eine Nachmeldung im Dresdner Starterfeld von Nöten machte. Als dann die Bestätigungsmail seitens des PSV kam, wurden noch paar Euros gespendet, um das finanzielle Risiko, welches der PSV einging, ein wenig mit abzumindern.
Am Morgen des 12.09. starteten wir zunächst zu dritt, Der Kulturbeauftragte wartete in Bremen auf das Droschkenfuhrwerk, und mit den Klängen von Radion Blanik – dem Radiosender unseres Vertrauen aus dem Honzaland, ging es los gen Norden.
Eine doch ereignislose Fahrt erfuhr einen kleinen Höhepunkt, als der Stuhlweitwurfwettbewerb der Bielefelder (erfolgreich) in Groningen ausgewertet wurde, welchen sie lautstark mit „Bielefeld, Bielefeld, Bielefeld, Bielefeld“ feierten. Ein Sportlicher aus Dresden meinte am Donnerstag zuvor noch, wie peinlich es wohl ist, wen deine Bande nur Stühle wirft und dann lautstark „Bielefeld, Bielefeld, Bielefeld, Bielefeld“ durch die Straßenschluchten ruft. Doch je länger die Fahrt dauerte und ich immer mehr Ortsnamen wie Bad Fallingbostel, Hodenhagen oder Achim sah, reifte in mir der Gedanke, wie hart das wohl sein muss, wenn du Mitglied einer Bande aus einer dieser drei Städte bist, gerade Stal Bielsko-Biała wegscherbelst und dann triumphierend…..Na lassen wir das.
Als Der Kulturbeauftragte in Bremen eingesammelt war, löste sich urplötzlich Der stille Teilhaber von seinem Bierzölibat und schmeckte mit Der Kostverächter eins um andere weg. Scheinbar traute er sich dies nicht davor, saßen doch vor ihn im Auto zwei Abstinenzler. Keinen Mumm in den Knochen der Typ. Da braucht es erst einen weiteren Alkoholabhängigen, um das Zittern in den Händen beenden zu können.
Je weiter wir nach Norden kamen, erreichten wir alsbald die Stadt Norden, welche der Hafen zur Insel Norderney ist. Persönlich wollte ich hier schon immer mal hin, denn gibt es hier auch den ICE-Bahnhof Norddeich-Mole. Und als alter Bahnfahrer, der ich nun mal bin, saß ich schon des öfteren in einem ICE mit dieser Endhaltestelle. Ein Traum.
Weniger ein Traum war an diesem Tag das Wetter. Bewölkt, regnerischer Eindruck und gar nicht mal so warm. Unten am Deich kaum ein Wind zu spüren, kaum auf der Deichkrone angekommen, wehte es uns fast weg. Aber die Aussicht auf das Meer trieb uns voran. Und schnellen Schrittes stürmten wir unter lauten „Da ist das Wasser! Da ist das Wasser! Da ist das Wa...“-Rufen voran, nur um völlig perplex den Satz mit „...tt!! Watt!“ zu beenden. Und ich fragte im Auto noch, ob jemand auf die Gezeiten-Zeiten geschaut hatte. Amateure! Alles musste selber machen. Da hätten wir auch das von Der stille Teilhaber angepriesene Schloss besuchen können. Aber nach dem Reinfall in Tschechien mit dem Schloss, welches er als Weltkulturerbe und Taj Mahal Tschechiens anpries, waren wir doch ein wenig...naja...misstrauisch. So blieb uns halt nur, das Watt zu bestaunen, ein Eis zu essen und weitere Biere für die zwei Trunkenbolde zu organisieren.
Nach dem der Kulturteil abgearbeitet war, ging es auf nach Halbemond. Auf dem Weg zum Stadion gerieten wir in sportlichen Wettbewerb mit dem Namen Boßeln. Ich knall euch direkt mal die wikipedia-Beschreibung hier rein.
Boßeln (in einigen Regionen als Klootschießen bezeichnet, auch wenn sich diese beiden verschiedenen Sportarten nur teilweise überschneiden) ist eine Sportart, die in unterschiedlichen Formen in verschiedenen Teilen Europas gespielt wird. Ziel des Spiels ist es, eine Kugel mit möglichst wenigen Würfen über eine festgelegte Strecke zu werfen. Boßeln wird in unterschiedlichen Varianten auf freien Flächen (Feldern, Wiesen), öffentlichen Straßen und befestigten Wegen gespielt. Ursprünglich ist Boßeln eine Mannschaftssportart. Als Einzelsportart wird auf Weite geworfen. (Quelle wikipedia)
Als wir auf der Straße zum Stadion fuhren, flogen plötzlich die Kugeln tief, Menschen auf der Straße, Absperrungen und hektisches Treiben. Da wurde mir direkt ein wenig blümerant, bin ich doch als Großstädter so eine Hektik nicht gewohnt.
Am Einlass zum Stadion pflichtgetreu die Selbstauskunftsbögen abgegeben, eine Eintrittskarte erhalten und nach dem Abparken direkt für die Fotorunde angemeldet. Dann noch die Stufen hoch ins Stadion, welches quasi mitten im Nirgendwo zwischen Feld und Wald steht, und die Augen weit, weiter, ganz weit aufgerissen: Was für eine Bude. Alter Ostfriese! Wieso hier eine solche Prachtperle von Stadion errichtet wurde, so mitten auf dem Land, „fast“ am Meer, stellte ich mir schon die ganze Zeit als Frage. Aber zum Glück gab es das Programmheft zum Spiel, in welchem ausführlich dargelegt wurde, aus welchem Grund das „Wieso hier?“ eben hier ist. Long story short: Im September 1983 fand hier das Weltfinale im Speedway statt. Und da sollten halt so viel wie möglich Menschen dran teilhaben dürfen, um den deutschen Gewinner Egon Müller feiern zu können. Übrigens kostete der Ausbau damals um die drei Millionen D-Mark. Mit den anwesenden Zuschauern von damals 45.000 (offiziell verkündete Zahl) wurde auch der Besucherrekord auf- und nie wieder eingestellt. Nicht mal der glorreiche Fehntjer-Fußball-Freunden Blau-Gelb Berumerfehn 95 e.V. konnte im Fußball mit seinen Zuschauerzahlen an diesem Rekord kratzen. Und als der Verein zum letzten mal am 13.06.1999 hier gegen den Ball treten ließ, war der Zuschauerrekord des Speedwayfinales quasi zementiert.
Tja...und 21 Jahre später schickte sich der PSV Braunschweig e.V. an und stellte so einiges organisatorisch, unterstützt von Sponsoren, auf die Beine, um die fußballlose Zeit im Stadion wenigstens für einen Tag zu unterbrechen. Danke dafür! Groß Werbung durfte aber nicht gemacht werden, sonst hätte Fußballdeutschland und eigentlich die gesamte Fußballwelt wohl dem Stadion die Tore eingerannt. So waren es am Ende wohl um die 280 Zuschauer, welche über glückliche Mundpropaganda von diesem Kick erfuhren und die Chance beim Schopfe packten. Menschen der Querdenker würden wohl von 280.000 Zuschauern sprechen, wir belassen es bei 280 Fußballinteressierten, wenngleich das Spiel schon noch ein paar mehr anwesende Menschen verdient hatte. Jetzt nicht wegen des Sportlichen, aber einfach um die Arbeit des PSV zu honorieren. Aber vielleicht gibt es in naher oder ferner Zukunft hier nochmal ein Spiel. IN DIESER UTOPISCHEN BUDE!
Verquatscht wurde das Spiel mit allerlei Bekannten und Unbekannten, vor allem voran mit den Himmelblauen. Sie berichteten vom B-Jugendspiel vor diesem Spiel, wir von der Wattwanderung, was uns dazu veranlasste uns mal wirklich Gedanken über den Risikofaktor bei einer Wattwanderung Gedanken zu machen. Denn als ich mal mit meinem Vater durchs Watt lief, merkten wir gar nicht, wie weit wir schon vom Strand weg waren. Erst als wir uns mal umdrehten, sahen wir in einiger Entfernung den Strand und sagten unisono „Wir sollten lieber mal umdrehen. Das Wasser kommt dann doch schneller, als wir uns das ausmalen können.“ So eine Wattwanderung ist sicherlich schon cool, dann aber nicht ohne Wattführer. Denn jedes Jahr müssen Menschen aus dem Meer gerettet werden, weil sie die Situation unterschätzen. Oder wie es Danny formulierte: „Warum soll ich 5€ für einen Wattführer ausgeben, wenn ich auch mein Leben riskieren kann.“ Genau das!
Danke an alle Organisatoren, Sponsoren und Unterstützer, welche dieses Spiel möglich machten. Und ganz großen Dank an den PSV Braunschweig e.V., welcher das Heft des Handelns in die Hand nahm! Bei Gelegenheit kommen wir bei euch mal rum, habt ihr doch auch einen schicken Sportplatz. (goju)