Die Zimmer in unseren Hotel befanden sich im „Grand View Hotel“. Und hier war der Name Programm. Wir wurden zwar in verschiedenen Stockwerken untergebracht, aber egal welche Etage, die Aussicht über die 13 Millionen Einwohnerstadt Buenos Aires war immer phänomenal.
Gefrühstückt wurde beim der stille Teilhaber und mir im Zimmer. Eigentlich jeden Morgen saßen wir zusammen und beratschlagten, ob die biergeschwängerten Planungen des Vortages noch Gültigkeit haben. Dann wurde die Aufgaben verteilt und in den Tag gestartet.
Für heute hieß dies: Die Kartenfragen für River Plate und Boca Juniors zu lösen. Was letztendlich durch einen Kontakt, welchen mir ein guter Bekannter aus Chemnitz, der schon einmal in Südamerika weilte, vermittelte. Noch einmal danke dafür Meiner! Klar der Kontakt ließ sich nicht lumpen, aber der Preis war arg an unserer Schmerzgrenze.
Der Plan war dann relativ zeitig an das 1938 erbaute Estadio Monumental Antonio Vespucio Liberti zu fahren. Es ist das größte Stadion in Argentinien und die Nationalmannschaft trägt dort auch ihre Heimspiele aus.
Mit zwei Uber ging es also wieder los durch die riesige Stadt. Man muss wirklich wegen den Entfernungen und auch dem Verkehr genug Zeit einplanen, um an die Spielstätten zu kommen. Tagsüber war es meistens kein Problem die privaten Taxen über die Uber-App zu bestellen, aber abends bzw. nachts kamen wir doch das ein oder andere mal ins strampeln und mussten uns um organisieren.
Jedenfalls gut zwei km vor dem Stadion wurde sich getroffen und los gelaufen. Tja und was soll ich sagen? Ihr kennt es. Nach ein, zwei Bier, drückte die Blase. Also was macht der gemeine Fußballfan? Er sucht sich ein Örtchen zum erleichtern oder er geht wie bei Botafogo ins Klo und pisst gegen die Wand. Soweit so gut, nur ich hatte die Rechnung ohne den Polizisten gemacht der nun seine Chance, für was auch immer sah. Blökend kam das Dickerchen angestapft und sabbelte mich auf Spanisch zu. Ich wusste natürlich um was es eigentlich geht und spielte meine dumm Tourikarte aus (man munkelt wir sind perfekt darin).
Er ließ aber nicht locker. Also ging das Spielchen weiter. Er spanisch, ich spielte meine Karte
einfach auf „English English.“ Sagen aus. Nun kam mir der Sportliche zu Hilfe und meinte, jetzt gib den Chorizobullen halt 100 Pesos. Oh das nervte mich aber gut…. de nada hier nimm….
Keine Reaktion. Zähneknirschend erhöhte ich das Schmiergeld, für den Schmierlappen. Immer noch nichts. Ähh, was will er denn?… Dann bemerkten wir, dass in der Zwischenzeit einige andere Riverfans die Situation beobachteten und der Bulle wohl das Geld nicht einfach auf offener Straße nehmen wollte. Tja… entweder jetzt oder nie. Also zeigte ich nochmal Reue, er erklärte das ich nicht in die Prärie pinkeln soll und abhaun. Beim Sportlichen bedankt, gab es erstmal ein Cerveza und einen Hamburguesa.
Unser Kartenhai hatte, wie schon geschrieben, grenzwertige Preise, aber letztendlich mussten wir auf ihn zurückgreifen. Wenigstens hatte er noch einige Tipps für uns, was wir am Einlass oder den Vorkontrollen beachten sollen. Zum Beispiel auf keinen Fall unsere Tickets aus der Hand geben. Auch nicht an Ordner. Es könnte sein, dass sie sagen die Karte wäre gefälscht. Mein Ordner an der Vorkontrolle hatte dann auch versucht meine Karte zu nehmen, um diese richtig lesen zu können. Auch wenn es ein älterer Herr war, gab ich das Ticket nicht her und lief einfach durch. Letztendlich war dann doch alles in Ordnung.
Da wir gestern schon nichts Anständiges zu Trinken bekommen hatten, in argentinischen Stadien wird kein Alkohol ausgeschenkt, da lobten wir uns Brasilien, wurden zwei Flachmänner inkl. Zitronen ins Stadion geschmuggelt. So war der Tross ca. 2 Stunden vor Anpfiff auf seinen Plätzen und ließ es sich gut gehen.
Das Stadion füllte sich auf über 70.000 Plätze, doch leider blieb ein entscheidender Teil frei. Die Barra blieb auf Grund eines Polizeieinsatzes dem Spiel als Gruppe fern. M. erhaschte Bilder im Netz vom Mob, der auf dem Boden liegend von der bewaffneten Polizei festgesetzt wurde. Kein Plan was da genau los war, es schien auch erst vor kurzen passiert zu sein. Bitter für uns. Die Barra Brava hat übrigens einen sympathischen Namen: „Los Borrachos del Tablón“ (Die Besoffenen von der Theke).
. Die Stimmung war trotz der fehlenden Trommeln, Trompeten und Fahnen sehr gut. Das ganze Stadion hatte einfach Lust zu singen. Doch dass der Motor heute fehlte, war trotzdem unverkennbar. Allgemein sind die Menschen im Stadion voller Leidenschaft dabei. Sie haben einfach Lust ihren Verein, die Liebe zu ihm oder über sich selbst zu singen. Was mir immer wieder aufgefallen ist und woran ich auch jetzt noch, zurück in Deutschland, denke, dass die Fans ihre Lieder lachend singen. Das hört sich vielleicht jetzt etwas komisch an, aber sie lachen aus ganzen Herzen dabei, sie kaspern mit ihrem Nachbarn rum, tanzen und springen und man sieht einfach diese pure Lebensfreude im Stadion.
Diese positive Energie, zeigt sich dann aber auch im negativen. Mehrmals wurden Leute sehr unsanft aus den Blöcken geprügelt. Das war schon krass anzusehen. Da gibt es keine Grenzen. Im Gästebereich fanden sich etwa 2.000 Fans aus Fortaleza ein, die die 5.000 km (Einweg) Anreise nicht scheuten.
Ab und zu konnten sie sich auch Gehör verschaffen. Immer wieder schön zu sehen, wenn ein Gästehaufen los legt und der Rest vom Stadion sie niederpfeift. Also da denkt man als Gäste-Fan „Alles richtig gemacht“. Fußballerisch wurden wir heute richtig verwöhnt. River siegte verdient mit 2:0 und lies uns des Öfteren staunen. So einen Einsatz gepaart von technischen Finessen sind wir von unserer SGD einfach nicht gewohnt. So ging es nach Abpfiff zurück ins Hotel, um dort noch die verspeiste Chorizo zu verdauen und den Panoramablick bei Nacht mit einem Quilmes zu begießen.
(Der Kulturbeauftragte)