Noch vor dem Weckerklingeln öffnete ich die Augen, sortierte die Gedanken und kam zum Entschluss: Machen! Der am Vortag hopplahopp geänderte Tagesplan sah folgendes vor: Zug, Zeitz, Fußball, Stadterkundung, Zug, ins Bett fallen.
Da ich bereits nach nur 3 Tagen schon wieder die Schnauze voll hatte von Dresden, musste ich noch mal raus. Noch mal ein kleines, klitzekleines Stück in Richtung Ruhrpott. Was hatte ich die letzten Tage dort drüben genossen. Und kaum in Dresden zurück, merke ich immer stärker, wie meine innere Stimmung gegenüber der Landeshauptstadt „Vorwärts nimmer, rückwärts immer“ Dresden kippt. Da bot es sich doch an, dass der große SV Motor Zeitz zum Doppeltest gegen die Spielgemeinschaft aus Teuchern und Nessa und gegen die Zweite aus Spora einlud. Hauptsache raus.
Beim Umsteigen in Leipzig noch Zeit für einen einstündigen Stadtbummel gehabt, doch viel blieb hier bei mir auch nicht hängen. Die Innenstadt sprach mich jetzt nicht so an. Dann doch lieber wieder in den Zug und nach Zeitz gefahren. Der Plan beinhaltete hier folgende Punkte: Spielbesuch und ausgiebiger Stadtbummel mit Schloss Moritzburg, Rossmarkt, Altmarkt, Pferdemarkt und was ich sonst noch so sehe.
So legte ich die knapp 3,5 Kilometer vom Bahnhof bis zum Rudolf-Puschendorf-Stadion für mich standesgemäß zu Fuß zurück. Konnte ich doch so einen ersten Eindruck von der Stadt (rund 27.000 Einwohner) sammeln. Lok hat hier klar die optische Macht. Daneben noch Chemie Halle und ein wenig Chemie Leipzig, Dynamo und Hansa. Doch knapp hinter der Lok rangiert hier im Stadtbild optisch die Fortuna aus Düsseldorf. Aufkleber, Schablonensprühereien usw. Das bekam ich wirklich nicht im Kopf klar, dass Aufkleber aus der Fortuna-Szene hier im südlichen Sachsen-Anhalt auftauchen. Ich meine...WIESO? Gibt es hier eine starke Fortuna-Sektion oder was? Sachen gibt es, die kann sich niemand ausdenken. Und auch nicht erträumen. Nicht mal in den wildesten Träumen.
Benannt wurde das Rudolf-Puschendorf-Stadion (siehe auch Motor-HP) nach einem Menschent, welcher sich zu Nazizeiten als Kämpfer gegen den Faschismus engagierte. So war er ab 1933 nicht nur in der Kpd aktiv, sondern wirkte auch in einer Widerstandsgruppe gegen den Faschismus. Aus diesen Gründen musste er 1934 für zwei Jahre in Haft im Zuchthaus Kassel-Wehlheiden. Direkt an diese Haftzeit schloss eine Gefangenschaft im KZ Sachsenhausen an, aus welchem er 1938 entlassen wurde.
Rudolf Puschendorf starb am 02.05.1943 in Tunesien als Mitglied des Strafdivision 999, in welches er am 01.12.1942 eingegliedert wurde.
Die Strafdivision hatte folgenden Zweck (Quelle Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Strafdivision_999):
„Die Strafdivision 999 war ein im Oktober 1942 aufgestellter Sonderverband des Heeres der deutschen Wehrmacht. Sie gehörte zu einem Gesamtsystem von Bewährungseinheiten, das den Militärstrafvollzug in den Dienst der Kriegsführung stellte. Die bisher vom Dienst in der Wehrmacht ausgeschlossenen politisch oder als Straftäter „bedingt Wehrunwürdigen“ sollten zum Dienst herangezogen werden. „Wehrunwürdig“ war jeder, der zu einer Zuchthausstrafe verurteilt und nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte war oder dem durch militärgerichtliches Urteil die Wehrwürdigkeit entzogen war. Mit Verfügung des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) vom 2. Oktober 1942 wurde die Wehrunwürdigkeit für die Dauer des Krieges aufgehoben. Von dieser Änderung waren mehrere zehntausend wehrfähige Männer betroffen. Der Verband hatte eine Gesamtstärke von etwa 37.000 Mann, wovon etwa 9.000 zum Stammpersonal gehörten.
Straffällige Angehörige der Wehrmacht wurden in der Strafdivision 500 eingesetzt, um sich dort zu bewähren.
Die Zwangsrekrutierten, insbesondere aktive Nazigegner, setzten in der Regel auch in der Wehrmacht ihre Widerstandsarbeit fort.
Der erste Einsatz der Truppe erfolgte im Frühjahr 1943 als „Afrikabrigade 999“ in der Schlacht um Tunesien mit einer Truppenstärke von 16.000 Soldaten. Viele von ihnen liefen während dieses Einsatzes zu den alliierten Truppen über.
Von der Ostfront wurde sie, nachdem zahlreiche Überläufer zur Roten Armee gelangt waren, bald zurückgezogen.
In Griechenland und Jugoslawien entwickelte sich aus den Reihen der 999er ein sehr aktiver Widerstandskampf. Die im September 1944 von den Wehrmachtangehörigen Falk Harnack und Gerhard Reinhardt unter den deutschen Truppen in Griechenland ins Leben gerufene Sammlungsbewegung Antifaschistisches Komitee Freies Deutschland (AKFD), deren Kämpfer überwiegend aus 999er-Einheiten kamen, nahm aktiv am bewaffneten Widerstand in der griechischen Befreiungsarmee (ELAS) teil.“
Das Rudolf-Puschendorf-Stadion ist schon eine nette Anlage. Und würde ich in Zeitz wohnen, würde ich wohl eher hier Fußball schauen, als im verschlimmbesserten Ernst-Thälmann-Stadion des 1. FC Zeitz. Hier wirkt alles noch ein wenig rustikaler. Zwar nur Stufen auf einer Seite, dafür aber gammlig. Diesen Charme hat das Thälmann-Stadion nach der Renovierung leider verloren.
Auch fand ich hier die Stimmung recht angenehm. Alle waren locker drauf. Späße auf der Trainerbank, hier und da Gespräche und alle recht entspannt. Okay, dass hier Onkelz über die Boxen dröhnt, okay, Ostdeutschland. Das ein Sechsjähriger die Texte teilweise auswendig mitsingen kann. Hmh…
Doch nicht nur Onkelz wurden hier gespielt. Eher eine wilde Kombo aus „rockigen“ und gängigen Liedern der 90ziger. Nirvana, Tote Hosen und noch mehr.
Das Spiel vor, von mir handgezählten 46 Zuschauern, war in meinen Augen ein lauer Sommerkick. Gut, für Motor hatte die Saison noch nicht begonnen, bei einem Testspiel muss noch nicht Vollgas gegeben werden und so. Wieso aber endete dann aber das anschließende Spiel gegen Spora II 4:3? Wieso? So stark war die Truppe von Teuchern/Nessa II nun auch nicht. Na wenigstens konnte sich der Sechsjährige freuen, dass Dustin Gebhardt drei Tore schoss. Ist er doch ein sehr großer Fan von ihm.
Übrigens: der Schiedsrichter in diesem Spiel wurde stets mit seinem Vornamen Silvio angesprochen. Ich hätte es mega gefunden, hätten sie ihn mit vollem Namen angesprochen: Silvio Sonnenschein. Da kann ich es natürlich verstehen, dass auf dem Platz alles so entspannt war. Was für ein Name. Da bin ich doch ein wenig neidisch.
Nach dem Abpfiff des ersten Spiels ging es für mich dann los zur Stadtbesichtigung. Mein Ziel, den 17:25 Zug pünktlich zu erwischen, erfüllte ich dabei vollends. Um genau zu sein, saß ich sogar schon eine Stunde eher im Zug. Und da hatte ich die oben erwähnten Ziele alle angesteuert. Nur war hier nichts los. Ich fühlte mich teilweise wie im Film „28 Days later“. In der Innenstadt waren kaum Menschen zu sehen. Ich fand nicht mal eine Eisdiele. Zeitz scheint doch ein wenig eine „Lost City“ zu sein. Vielleicht waren alle im „Unterirdischen Zeitz“. Das hätte ich mir gern angeschaut. Nur leider war es geschlossen und ich wusste vorher überhaupt nicht, dass es so etwas in Zeitz gibt.
Nun gut, ich kann an dieser Stelle einen Schlusspunkt setzen, da auf der Rückfahrt nicht mehr viel passierte. Bis auf das Flachdenkerehepaar, welches mir im Zug gegenüber saß und voller Überzeugung keine Maske trug. Doch als der Schaffner kam, hieß es plötzlich: „Oh, der Schaffner, oder soll ich SchaffnerInnen sagen, kommt. Schnell die Maske auf.“ Da musste ich dann doch mal nachfragen, ob sie ab jetzt die Maske auflassen, oder doch wieder absetzen, sobald der Schaffner den Rücken zudreht. Reaktion: „Was für ein Vogel bist du denn? Bist du ein Denunziant?“
Meine Antwort: „Ich wollte mich nur mal um den Stand eures Revoluzzertums erkundigen.“
Sind schon krasse Kunden. „Die würden sich auch alle Hüte mit bunten Punkten aufsetzen, wenn es ein Gesetz dafür gäbe.“ allen Fahrgästen entgegen husten und diese als dumm hinstellen und kaum kommt die Obrigkeit, hier der Schaffner, einknicken und schnell die Maske hochziehen. Dann fahrt halt ohne euch anzuschnallen mit dem Auto. Am besten gegen einen Brückenpfeiler. Mit Tempo 200. Mir egal. Aber geht mir nicht auf den Sack und denkt halt nicht, wenn ihr diverse Sachen aussprecht, diese unwidersprochen bleiben. Inkonsequent handeln und sich darüber empören, wenn sie auf die eigene Inkonsequenz angesprochen werden. Denen kannste die Köpfe echt nur auf den Tisch knallen und hoffen das es im Nischel bissl was gerade rückt.
Das schlimmste für mich war aber der Typ wollte natürlich nach Dresden. Wobei? Schlimm? Eher logisch. Ich muss echt weg aus dieser Kackstadt. (goju)