Es war eine harte Landung auf dem Flughafen Lissabon. Vielleicht war da viel Symbolik mit im Spiel, dass man, nach dem Abenteuer Vietnam, wieder im grauen Fußballtouristenalltag angekommen ist? Aber vielleicht sollte man auch nicht allzu viel Feenstaub über alle Dinge streuen.
Nach dem Bezug unsere Wohnung schalteten Ping und ich sofort in den Erkundungsmodus, Rucksäcke in die Ecke und ab ins Getümmel. Zunächst wurde der Magen im Time-Out-Market gefüllt. Es handelt sich dabei um eine renovierte Markthalle mit unzähligen Tischen und Bänken in der Hallenmitte, umrahmt von zig Streetfoodständen. Da gab es alles von Tapas, über Pizza, bis hin zu Fischspezialitäten. Darüber hinaus konnte man sich an einer schier unglaublichen Auswahl an Süßkram totfressen. Hier wurde ein richtiger Touri-Hot-Spot geschaffen. Das merkte man u.a. daran, dass nahezu keine Portugiesen anwesend waren und Preise, fern jeder Vernunft, aufgerufen wurden. So kostete z.B. ein Donut 7,90 €, für unsere beiden Hot Dogs und die beiden Bier, gingen 36 € über die Ladentheke, na Mahlzeit. Geht lieber in einem kleinen Restaurant in der Stadt essen.
Wir marschierten weiter und sahen uns den Praça do Comércio (Platz des Handels) an. Dieser wurde bei einem Erdbeben im 18. Jahrhundert vollständig zerstört und völlig neu aufgebaut und gehört zu einem der drei wichtigsten Plätze der Stadt. Direkt am Rio Tejo gelegen hat man einen guten Blick auf die Brücke des 25. April und die Christo Rei Statue.
Durch den Arco da Rua Augusta, der einer der Zugänge zum Platz ist sind wir zum Elevador de Santa Justa gelaufen. Das Gußeiserne, 45 Meter hohe Monstrum wurde 1902 erbaut und ist eines der Wahrzeichen der Stadt. Ich bin völlig begeistert von diesem Wunderwerk der Ingenieurstechnik. Leider sind wir nicht mit dem Aufzug gefahren, weil die Wartezeit zu lang war und wir keine 60 Minuten opfern wollten. Darüber hinaus sollten wir später auch noch von anderen Orten aus einen guten Blick über die Stadt erhaschen. Da Ping nicht ausschließlich des runden Leders wegen diesen Affenzirkus mitmacht, mussten ein paar Stunden Shoppingzeit eingeplant werden. Dies erwies sich allerdings als wenig sinnstiftend, da Lissabon sicher nicht als Shoppinghochburg in die Geschichtsbücher eingeht. Sollten hier einige Damen mitlesen, es gibt hier lediglich den Scheiß, den es bei uns auch gibt. Spart euer Geld und kauft eurem Typen ein Bier oder eine Cola, sollte der Begleiter „M“ heißen. Das Wetter spielte mit also sind wir mit dem Uber zur Christo Rei Statue gefahren. Von da aus hat man einen wirklich guten Blick (das mit dem Blick werdet ihr öfter lesen) auf die 70 Meter hohe und 3,2 km lange Ponte de 25 Abril. Die riesige, rote Hängebrücke sieht der Golden Gate Bridge in San Francisco zum verwechseln ähnlich, sogar James Bond ist mal drüber gefahren. Zu Füßen der Christo Rei Statue fühlt man sich ein wenig wie in der Twighlight Zone. Schaut man nach vorn, könnte man meinen man ist in San Francisco, dreht man sich um 180 Grad, bekommt das Gefühl man wäre in Rio, schon ganz schön verrückt. Ein Kardinal fand den Rio-Jesus so gut, dass mit dem Bau der Statue 1949 begonnen werden konnte. Der Bau hat 10 Jahre gedauert, seitdem ist die Statue eines von vielen Wahrzeichen Lissabons und ein großartiges Ausflugsziel. Da ich Religion zur Gänze ablehe und für Hexenscheiß halte, fehlt mir die emotionale Bindung zu solchen Dingen, allerdings faszinieren mich alle religiösen Bauwerke und deren Geschichte. Ping und ich haben, bei herrlichem Sonnenschein, mit einem Super Bock auf den alten Jesus angestoßen. Wir sind sogar noch bis zu Jesus‘ Füßen hoch gefahren. Der Spaß hat, pro Nase, 6 € gekostet. War der Ausblick von unten schon gut, war er in 82 Metern Höhe um ein vielfaches atemberaubender. Tag zwei begann mit organisatorischem Stress, es mussten Tickets für ein Spiel in Belgien geordert werden, was sich zu einem sehr nervenaufreibenden Unterfangen entwickeln sollte. Etwas gestresst aßen wir unser grünes Hipster-Rührei im Hipster-Kaffee. Auch das 4,90 € Bier (0,3 l) im Beer-Museum sorgte eher dafür, dass sich die Miene verfinsterte. Der Laune hellte sich beim Fußmarsch zum Castelo de Sao Jorge wieder auf. Der Blick (ja, ja - schon wieder dieser Blick) über die Stadt entschädigte für den Ärger am Morgen. Zwischen Pfauen und besoffenen Engländern schländerten wir auf den Zinnen umher. Jedem Lissabon-Besucher sei ein Besuch des Castellos wärmstens ans Herz gelegt. Der Preis ist mit 15 € pro Ticket für den gemeinen Ostdeutschen zwar kein Schnapper aber, wann kommt man schon mal wieder hierher…blablabla.
Wieder wurde der Uber gerufen und wir fuhren zum ersten fußballtouristischen Ziel unserer Reise, dem Estádio do Real SC. Einem herrlich heruntergekommenen Drittligastadion inmitten einer hügelligen Plattenbaulandschaft. Der Eintritt war, meiner Meinung nach, mit 10 € zu hoch angesetzt aber zumindest wurden wir mit einer coolen Haupttribüne entschädigt. Wir und die anderen Hopperschweine wurden in den Gästeblock zum Amora FC-Haufen gesteckt. Der Gästeanhang bestand aus ein paar älteren Herren und Spielerfrauen mit Kindern. Die staunten nicht schlecht, dass ihr Block so „voll“ war. Erkennbar waren ein paar ältere Offenbacher, Kieler, jede Menge Skandinavier und ein paar Engländer. Man gönnte sich augenscheinlich einen kleinen Appetitanreger vor dem morgigen Hauptgang. Auf der gegenüberliegenden Seite fand sich, hinter der einzigen Zaunsfahne, ein kleiner Mob von vielleicht 10 (ich hatte mein Brille nicht auf) Real-Fans ein. Die Jungs waren gut vernehmbar, obwohl wir (damit meine ich die Hopperarmee) beim Amora-Wechselgesang ordentlich ablieferten. Bei beiden Anhängerschaften wurden die Trommeln, Fahnen oder Megafone zu Hause gelassen, Fankultur light sozusagen…aber dafür ehrlich. War schon alles sehr cool hier. Vor allem die sich spiegelnde, untergehende Sonne in den Fenstern der Plattenbauten. Was willste mehr?! Amora ging bereits in der ersten Halbzeit in Führung und gab diese nicht mehr ab. Am Ende gab es ein paar Emotionen, einen vorstürmenden Torwart und eine vernünftige Anzahl an gelben Karten. Witzigerweise haben die notorisch klammen Portugiesen, trotz Abenddämmerung, das Flutlicht aus gelassen. Das hat mich sehr amüsiert, da unter solchen Bedingungen nicht mal Glauchau gegen Meerane angepfiffen worden wäre.
Abzüge in der B-Note gibt es, weil man auf den Ausschank von Alkohol verzichtete. Auf unserem Hinweis, dass doch ein gefüllter Bierkühlschrank zur Verfügung stehe, wurde mit Achselzucken reagiert. Also beendeten wir, wie eigentlich alle, das Spiel mit einem Kaffeebecher in der Hand. Spaß hat es trotzdem gemacht.
Wieder zurück in Lissabon-Stadt haben wir den Abend im Stadtteil LX-Factory, bei ein paar Bieren, ausklingen lassen. Über das Abendessen inkl. 2 Litern Sangria hüllen wir mal den Mantel des Schweigens.
Serge