Derbytime! Ich liebe dieses Wort. Lange hatten wir uns auf das Lissabon-Stadt-Derby gefreut. Doch vor dem Derby kommt die Kultur. Die Frühstückslocation durfte diesmal ich aussuchen, was mir jede Menge Beschimpfungen einbrachte. Das „Mahl“ bestand aus, mit Käse überbackenem, Käseomelette, kalten Pommes und Reis. Dazu ein Chickensandwich das so fett war, dass es uns später den beschichteten Karton durchweichte und im Mülleimer landete. Ping meinte zu mir, sie hatte Tränen in den Augen als das Frühstück gebracht wurde. Sie wusste was sie erwartet, als sie mich geheiratet hat. Genau, nichts.
Es folgte ein Fußmarsch, vorbei an zwei Ozeanriesen, die Armeen an Touristenvieh auskotzten, hoch zur Kathedrale von Lissabon. Bei allen Kirchen/Kathedralen die wir bisher besucht haben, mutet diese hier recht bescheiden an, dafür aber sehr wuchtig. Es wurden noch zwei Aussichtsplattformen und ein Kloster besucht. Dabei musste einiges an Höhenmetern durch die engen Gässchen zurück gelegt werden. Die Breite der Fußwege ist teilweise schon lustig, selbst schmale Asiaten haben Probleme nicht von den historischen Straßenbahnen zusammen gefahren zu werden. Aber genug der Vorurteile, es gibt auch fette Asiaten.
Im Kloster gab es Bier zu menschenfreundlichen Preisen, das entschädigte für den ein oder anderen Gewaltmarsch. Wieder wurde der Uber gerufen. Diesmal war das Ziel der Fahrt, der Torre de Bellem. Dabei handelt es sich um eine Befestigung, die die Einfahrt zum Rio Tejo schützen sollte. Die Steine für den Prachtbau blieben beim Bau irgendeiner Kirche übrig. Das Innere könnt ihr euch schenken. Die Anzahl der Personen, die den Bau betreten dürfen, ist limitiert. Also steht man sich die Beine in den Bauch, bis endlich mal ein paar Menschen raus kommen, damit man selbst die Burg betreten kann. Bis auf recht karg eingerichtete Räume gibt es nichts interessantes zu entdecken. Ping und ich haben uns, an einem kleinen Stand, ein paar Gläser Wein geholt und uns, neben dem Torre, die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Mit der ein oder anderen flackernden Lampe fuhren wir dann endlich zum Estádio da Luz. Vor dem Stadion herrschte ein ordentliches Gewusel. Wir stürzten uns mittenrein und gönnten uns noch ein paar Super Bock. Jetzt waren endgültig mehrere Lampen an und wir versuchten beim betreten keine Aufmerksamkeit zu erregen. Gott sei Dank haben wir uns vorher sinnlos besoffen, denn im Stadion gibt es, laut dem netten Herrn am Fressstand, seit 2014, keinen Alkohol mehr. Unser Unverständnis, gepaart mit dem Hinweis auf unsere deutsche Staatsbürgerschaft, führte ebenfalls nicht zum Erfolg. So musste die Kehle für ein paar Stunden trocken bleiben. Wir hatten Plätze in der letzten Reihe, im linken oberen Eck der Haupttribüne. Das erlaubte einen guten Blick auf den Sporting-Block, aber eben nur von der Seite. Zaunsfahnen waren von unseren Sitzen nicht lesbar. Das, in rot gehaltene, Stadion weiß mit seiner schwungvollen Architektur sehr zu gefallen. Innen ist jedoch alles auf Kommerz getrimmt. Da hat man die drei Videoleisten, die Fette Soundanlage und die Flammenwerfer hinter den Toren. Darüber hinaus laufen die obligatorischen Popcorn-Verkäufer überall herum. Das Stadion war, mit 62.295 Zuschauern nicht ausverkauft, was mich bei solch einem Derby sehr gewundert hat. Sowohl bei Team grün als auch bei Team rot gab es genügend freie Plätze. Auch das fehlen eines Stimmungskerns bei Benfica hat bei mir ein paar Fragen aufgeworfen. Weder hinter dem Heimtor noch sonst irgendwo waren Zaunsfahnen erkennbar oder ein Bereich der den Takt vorgab. Gesänge wurden immer aus irgendeinem Teil des Stadions gestartet. Was mir gut gefallen hat ist, dass hier alle Tribünen mitziehen.
Im Gästeblock sah es da schon besser aus. Es gab Schwenk- und Zaunsfahnen und organisierten Support. Die Mitmachquote war immer sehr anständig. Das fehlen einer Trommel kann einfach nicht wegdiskutiert werden. Auf beiden Seiten gab es keine. Da fehlt dann einfach der Druck bei den Gesägen oder Klatscheinlagen.
Zu Spielbeginn wurde „Song 2“ ausgegraben und dazu, im Takt, die Flammenwerfer gezündet. Alles schon sehr steril, choreografiert und auf den Eventfan ausgerichtet. Zum Spiel gibt es nicht viel zu sagen, es ging 2:2 aus. Auf dem Rasen gab es genauso wenig Feuer wie auf den Rängen. Was hier absolut gefehlt hat war der Hass, die Rivalität, eigentlich alles was so ein Derby ausmacht. Man stelle sich mal Schalke gegen Dortmund ohne verbale Entgleisung vor, ein Unding. Hier wurde Sporting nicht einmal nach den beiden Führungstreffern bepöbelt. Kein Finger wurde gezeigt, kein Puta Madre oder ähnliches. Die wenigen Dinge die an Fußball erinnerten waren ein grüner und ein roter Rauchtopf zum Anpfiff, ein, zwei Blinker im Gästeblock (nach den Toren) und unkoordiniert gezündete Fackeln irgendwo im Oberrang hinter dem Benfica-Tor. Zu meiner Enttäuschung kam noch die Genervtheit über die Typen hinter uns, die 90 Minuten durchgekifft haben. Ich merke, das lesen der Goju-Berichte färbt ein wenig ab, ich werde immer (Achtung Jugendsprache) Grumpier. Vielleicht kann ich auch, aufgrund von Long Covid, keine Freude mehr empfinden - Grüße an den stillen Teilhaber. Um mal einen Strich unter das Dérbi da Capital zu ziehen: Einen Kasten würde ich mir davon nicht kaufen. Keine Ahnung wer die Rechte an diesem Spruch hat, sollen der Kulturbeauftragte und der stille Teilhaber unter sich ausmachen. Aber der empfindet ohnehin keine Freude mehr.
Reichlich ausgenüchtert haben wir das Stadion verlassen um uns unter der Brücke vor dem Stadion ordentlich zuzuziehen. Dazu gab es noch, ein sehr gutes, traditionelles Bifana (Brötchen mit Schweinefleisch).
Grüße an unsere beiden Stammleser.
Obrigado e adeus.
Serge
PS: Von den internen Kloppereien im Gästeblock, welche nach Spielende stattfanden, haben wir nichts mitbekommen.
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