Puh, was für ein spannender und toller letzter Tag in Buenos Aires! Alles hat so geklappt, wie ich es mir erhofft und erträumt habe. Südamerika ist ein Traum und viele Leute und Orte waren nicht soo düster, wie der Flurfunk vorab es ertönen lies. Allen voran der Ausflug zu Dock Sud an meinem letzten Tag (Sonntag, 17.4.) der Reise beschäftigte mich dann doch etwas mehr als die anderen Spiele. Nachdem M. sich eine Route rausgesucht hat war klar, wir ziehen es durch und marschieren zum Ground. Wie verhalten wir uns, sollten wir ausgeraubt werden? Messer wäre zwar kacke, kann aber verteidigt werden. Hauptsache keine Waffen, das war meine größte Sorge und nach den ganzen Erzählungen sollte diese ja auch nicht ganz unberechtigt sein. Selbst die Taxifahrer rieten von dieser Reise ab, diverse Locals warnten uns ebenfalls. Von der Pizzeria mit WLAN zeigte uns das Navi einen 17-minütigen Marsch durch das Arbeiterviertel an. Ab dem berüchtigten Tunnel beginnt das Revier der Barra de la Dock Sud, dorte sollte heute das Spiel gegen Talleres de Remedios stattfinden. Abgefuckte Straßen und eine gespenstische Ruhe prägten die Route. Hin und wieder wurden wir von Einheimischen angeschaut, Gringos stehen hier nicht an der Tagesordnung. Nachdem M. und ich die lange Straße ohne weitere Probleme überschritten hatten, ging es einmal nach links in Richtung Stadion. Die Barra stand an der Straßenecke, die von meiner Mütze verdeckten blonden Haare wurden jedoch nicht von diesen entdeckt. „Komisches Gefühl, heute mal nicht der Griebel zu sein, sondern begriebelt zu werden“ sprach M. zu mir…wohl war!
Yeees, endlich am Stadion, jetzt schnell rein…doch Fehlanzeige. Die Gringos hatten keine Karten und dessen Verkauf war nur bis 12 Uhr. Wir hatten nun aber 14:30 Uhr und noch eine Stunde zum Spiel. Die beiden Bullen am Einlass mit ihrer riesigen Flinte in der Hand gaben uns zwar Sicherheit, jedoch missachteten sie uns auch gekonnt. Ohne Karte kommen wir hier nicht rein, tolles Ding! Jetzt stehen wir zwei bunte Hunde am Einlass dieses kriminellen Viertels, keiner versteht uns und wir wollen einfach hier weg. Aber noch einmal ums Stadion und an deren Barra vorbei um es am anderen Eingang zu versuchen wollten wir auch nicht. So wurden diverse Leute angesprochen um uns dummen Touris einfach ne Karte zu organisieren. Von den 6500 Plätzen wird nicht mal die Hälfte besetzt sein, Where is the problem?! English, English? Por favor!!
Die Spielerfrau der Nummer 2 von der Heimmannschaft war hilfsbereit, kam jedoch an ihre organisatorischen Grenzen. Ein Local schien dann tatsächlich uns helfen zu wollen und kam nach wenigen Minuten zurück. Was ein Moment, als dieser mit zwei roten Papierfetzen, den sogenannten Eintrittskarten, wieder zurück kam. Mehr als hilfsbereit wurden wir zum Block geführt, der Bulle am Eingang maulte noch etwas. Mit leichtem Grinsen liefen wir an ihm vorbei. Immer wieder zog es uns nach links Richtung Haupttribüne, aber dies wurde seitens unserer freundlichen Begleitung verneint. Wir sollen auf die Gegengerade. Ein paar Schritte weiter realisierten wir dann, dass diese nur über den Eingang der Barra Brava zu erreichen ist. Da die Bande noch nicht im Stadion war konnte der Moment so richtig gelebt werden. Völlig verrückt hier zu sein und dann noch am zu Hause der La Banda del Docke vorbeilatschen zu können. Durch die Mundlöcher konnten die Fahnen bereits gesichtet werden, was ein Anblick. Nun noch durch ein Tor, hier standen zwei Türsteher die man so wohl eher aus dem Berghain kennt. Zwei dunkle Muchachos die uns ohne eine weitere Miene zu verkneifen passieren ließen. Also ab auf das Haus, auf dem über eine spärliche Holz- und Metallkonstruktion Sitzschalen über das Dach angebracht wurden. Hier nennt man es Tribüne. Egal wohin das Auge reicht, alles ist abgeranzt. Wir blickten auf ein altes Fabrikgebiet, daneben ein Wohnblock mit über 17 Etagen. Ein mit Stacheldraht eingezäunter Spielplatz und ein früherer Swimmingpool führten einen Kampf um die herrschenden Farben dieses Viertels…grau oder braun?!
Und nun kommen wir wieder zu diesen tollen Gegensätzen, ermöglicht durch den Fußball. Einzig hier dominieren die Farben Blau und Gelb das Stadtbild. Jede Ecke, jeder Baum, jede Laterne und jede Wand brachten Farbe ins triste Stadtbild. Die La Banda del Docke marschierte pünktlich zum Anpfiff ins Stadion und machte die ersten 10 Minuten unter der Tribüne auf sich aufmerksam. Hier wurde sich wie in Argentinien üblich unter Begleitung von Trommeln und Trompeten eingesungen. Diese Menschen sind so fröhlich und emotional beim Singen, vom tristen Leben keine Spur. Insgesamt 17 Zaunfahnen schmückten den blau-gelben Heimblock und wir zeigten uns positiv überrascht, wie stark dieser mit dem Eintritt der Barra gefüllt wurde. Unter Begleitung von ihren Instrumenten, Fahnen und Schirmen eroberte die Bande ihre Tribüne und sangen ein für uns neues Liedgut empor. Nun ist dies der letzte Tag meiner 2-wöchigen Reise und außer ein Lied war jede Melodie neu. Auch M. kam vom strahlen nicht mehr raus. Ich erwischte mich sogar selbst dabei, als ich laut vor mir her lachte und einfach diesen Moment genießen konnte. Typisch auch, dass gerade hier der erste deutsche Hopper gesichtet wurde. Der Sportsfreund kam aus Münster und verbringt auf Grund von Studium schon einige Zeit hier. Er konnte einiges berichten und erzählen, ein spannender Austausch den man ja sonst weniger mit anderen deutschen Hinchas pflegt. Ganz höflich drückten wir ihm die Daumen, doch ganz konnten wir es uns ja nicht verkneifen, dass wir eigentlich auf einen Aufstieg von Rot Weiß Essen hoffen. Das wäre sicherlich ein Highlight der kommenden Drittligasaison mit Dynamo 😁
Sportlich verlief das Match leider zu Ungunsten der Gastgeber, die sich nach miserablem Kick mit 1:3 geschlagen geben mussten. Nach knapp 70 gespielten Minuten verließen wir zwei dann das Stadion, da um 19 Uhr bereits das nächste Highlight in La Bombonera ansteht. Der düstere Türsteher war doch tatsächlich eingenickt und musste erstmal geweckt werden. Er öffnete uns die Tür zur Barra und nun liefen wir zwei Gringos unter der Griebeltribüne durch. Ohne ein Wort zu verlieren nochmals durch das Mundloch gelinst und raus aus der Bude. Zurück zur Pizzeria wurde eine Parallelstraße gewählt, um noch etwas mehr von diesem Viertel aufsaugen zu können. Außer den Stolperfallen und Hundekot auf der Straße sollte jedoch nichts passieren und als wir wieder durch die Unterführung liefen klatschten wir uns erstmals ab. Wir haben es geschafft und eigentlich war es ja auch gar nicht sooo wild. Da empfand ich es in einigen Favelas in Rio oder auch im Viertel bei San Lorenzo hinter der Haupttribüne wesentlich griebeliger. Dies mag zwar mein subjektiver Eindruck und von anderen Fußballtouristen an unterschiedlichen Zeitpunkten anders wahrgenommen worden sein, aber alles in allem waren uns die Menschen stets wohl gesonnen. Wir haben während unserer Reise auch stets großen Respekt zu den Orten, deren Menschen und der Kultur gepflegt.
Am Montag, (18.4.) verabschiedete ich mich bei einem gemeinsamen Steakessen wieder in Richtung Deutschland und kann der Luís-Gruppe nur auf die Schulter klopfen. Jeder hat seine Aufgabe und bringt sich ein. Sei es über die Reise-/Spielplanung, Fahrten, Zahlungen, Sprachkenntnisse, Landeserfahrungen oder einfach seinen jeweilig einzigartigen Charakter. Keiner von euch hätte auf der Tour fehlen dürfen, damit sie so geworden wäre, wie sie geworden ist. Unvergesslich, einzigartig und eine riesige Bereicherung der eigenen Vita.
(Der Sportliche)