geschätzte Lesezeit ca. 1 Minuten
Einen guten Artikel über die belgische Meisterschaft hat Florian Bogner geschrieben (
Quelle: bei spox.com)
Die spinnen, die Belgier
Ganz im Ernst. Haben die sie noch alle? Wäre ich Fußball-Fan in Belgien, ich würde austicken. Volles Rohr. Ich würde nicht mehr zu normalen Saisonspielen gehen. Ich würde lieber zu den Holländern gehen. Oder zu Jeunesse Esch. Vielleicht auch zum Hallenhalma. Warum ich mich so aufrege? Weil ich den Liga-Modus der "Jupiler League" für einen schlechten Witz halte - und viele Belgier stimmen mir da zu. Frage in die Runde: Wer weiß, wie in Belgien der Meister ermittelt wird? Und die internationalen Plätze? Und die Absteiger? Ich kenn' und mag das ja eigentlich so: Jeder zweimal gegen Jeden in Hin- und Rückrunde, am Ende abrechnen. Sieht der Belgier ja anders. Der lässt seine 16 Teams schön 30 Spiele machen und teilt dann in Playoffs ein. Aber wie! Ich erklär' das mal ganz kurz und fange unten an. Das ist schon 'ne Show. Der 15. und 16., schon die ganze Saison gedemütigt, dürfen nämlich in fünf (!) Playoffspielen gegeneinander ausbaldowern, wer wirklich der Grottigste der Liga ist. Dabei geht's aber nicht um "Best-of-Five", sondern in Tabellenformat - der 15. bekommt drei Punkte Startkapital, der 16. fängt mit Null an. Egal ob man jetzt vorher in den 30 Spielen vielleicht 16 Punkte Abstand hatte - geschenkt! Und um was geht's? Der Loser aus diesen Spielen, also der Klub, der nach den fünf Grottenkicks gegeneinander weniger Punkte hat, steigt direkt ab. Ruhe in Frieden. Der "Sieger" aber darf dann noch gegen den Zweiten, Dritten und Vierten der zweiten Liga um den Verbleib in der Jupiler League spielen. In Hin- und Rückspiel, versteht sich. Auf die Bundesliga gemünzt hieße das: St. Pauli und Frankfurt spielen erst fünfmal gegeneinander. Die SGE setzt sich durch, St. Pauli steigt ab. Dann spielt Frankfurt gegen Augsburg, Bochum und Fürth um einen Platz in der Bundesliga. Maria hilf. Noch lustiger geht's beim Belgier auf den Plätzen 7 bis 14 zu. Nix mit Sommerpause, auch hier gibt's Playoffs. Worum geht's? Um die lausige Chance auf einen Europa-League-Platz. Der Sieger der Siebenbisvierzehnplayoffs darf nämlich gegen den Vierten der Meisterplayoffs (Erklärung kommt noch, keine Bange!) um einen EL-Startplatz spielen. Yippie! Dafür spielen die Teams auf Platz 7 bis 14 in zwei Vierergruppen (in Hin- und Rückspiel, is klar!) je einen Sieger aus. Die zwei Sieger spielen gegeneinander (Hin- und Rück, auf jeden!) und dann gegen den Vierten (auch hier: Hin- und Rück, Baby!). Der Clou: Damit kann theoretisch auch der 14. der regulären Saison, also der drittschlechteste Verein nach 30 Spielen, noch in die EL kommen. Das hätte Lierse SK auch beinahe geschafft, by the way. Die wurden in der Gruppe nur knapp Zweiter, weil sie im letzten Spiel 3:4 verloren haben. Und dass, obwohl sie nach 30 Spieltagen nur einen Punkt vor dem 15. (Eupen) lagen. Man stelle sich auch hier auf die Buli gemünzt vor: Gladbach, euphorisiert vom Saisonfinale, walzt über Schalke, Stuttgart, Köln und Hamburg drüber und schlägt dann Hannover - und spielt Europa League. Bei den Belgiern ist alles möglich! Kommen wir zu den Meisterplayoffs der Teams auf den Plätzen 1 bis 6. Wird lustig, versprochen. Hier haben die Partien der regulären Saison zumindest HALBwegs was zu bedeuten. Die Punkte der regular season werden nämlich zu Beginn der Playoffs halbiert. Bei ungerader Punktzahl wird aufgerundet (merken, wird noch wichtig!).
In der aktuellen Saison lief das so:
1. Anderlecht 65 -> 33
2. Genk 64 -> 32
3. Gent 57 -> 29
4. Brügge 53 -> 27
5. Lokeren 50 -> 25
6. Lüttich 49 -> 25
Am Ende wird der Erste Meister (boah!), der Zweite und Dritte darf in der EL antreten und der Vierte muss gegen den Sieger der Siebenbisvierzehnplayoffs ran. Fünf und sechs gehen leer aus. Anderlecht hatte also nach der regulären Saison eigentlich 16 Punkte Vorsprung auf Lüttich, das wiederum nur wegen einem Punkt mehr als Mechelen überhaupt erst Sechster geworden ist. Aber Lüttich hatte dann Bock. Soviel Bock, dass man in den Playoffs von den ersten neun Spielen acht gewann und sich plötzlich vor dem zehnten und letzten Spiel punktgleich mit Genk (sechs Siege, drei Niederlagen) und weit vor Anderlecht (nur drei Siege) an der Spitze wiederfand. Gegner im letzten Spiel: Genk, auswärts. Lüttich geht in Führung, nachdem ein Spieler vorher fast vom Gegner umgebracht wurde (de Bleeckere zeigt Gelb, Mourinho rastet zeitgleich in Madrid beim Essen im Restaurant plötzlich aus und weiß gar nicht, wieso), fängt sich aber dummerweise kurz vor Schluss den Ausgleich. Ich dachte ja jetzt: Scheiß egal, Lüttich hat das bessere Torverhältnis und auch den direkten Vergleich gewonnen und darf gleich Champagner schlürfen. Nix da, sagt der Belgier. Bei Abpfiff freuen sich nämlich die Genker (oder Genkesen?) wie Schnitzel und bekommen die Meister-Trophäe. Warum? Weil in den Playoffs folgende Regel bei Punktgleichheit gilt: Wenn ein Verein bei der Punkthalbierung zu Beginn der Playoffs einen aufgerundeten Punkt "geschenkt" bekommt, steht er bei Punktgleichheit automatisch hinter einem Klub, der astrein halbierte Punkte hat. Kapiert? Weil bei Lüttich aus 49 Punkten 25 gemacht wurden, bei Genk aber aus 64 32, wurde Genk am Ende Meister.
Ganz im Ernst: die spinnen, die Belgier.
Eine neue Ausgabe des "Abhaun!" ist erschienen. Nach 11 Jahren geht die Abhaun-Reihe mit der 6. Ausgabe weiter. Ein Klick auf das Bild bringt euch zu den weiteren Informationen.