Ciao Ragazzi.
Einige lassen ihre Berichte von Chatbots schreiben (Grüße an Goju) und andere, nämlich ich, von Redaktionskollegen. So ziemlich alles Wissenswerte zur Fanszene von Lazio Rom hat der Kulturbeauftragte in seinem Bericht vom Spiel gegen die Fiorentina abgehandelt.
Aufgrund der irren Flugpreise beschlossen Ping und ich mit dem Auto nach Rom zu fahren. Die 1.130 km haben wir in 11,5 Std hinter uns gebracht, sozusagen auf einer Arschbacke. Unsere Wohnung lag fußläufig etwa 500 m vom Vatikan entfernt, ein jeder Fußmarsch begann also mit einer Überquerung des Petersplatzes. Ich könnte mich jetzt natürlich darüber ergehen, wie atemberaubend schön diese Stadt ist aber ein jeder Versuch würde kläglich scheitern.
An diesem Wochenende war die Stadt voller als sonst, da in der Stadt der Marathon stattfand. Die Streckenabsperrungen verursachten deshalb für uns den ein oder anderen Umweg. Am Morgen des Spieltages haben wir die Gelegenheit genutzt und die Läufer ein paar Minuten angefeuert. Man muss sich mal den Streckenverlauf vor Augen führen. Also einen schöneren Marathon kann man wohl kaum laufen. Es wurde u.a. der Vatikan, der Nationalaltar, das Forum Romanum und das Kolosseum passiert.
Wir waren ganz froh, Rom bereits vor 2 Jahren (während der Coronazeit) ausgiebig besichtigt zu haben, als die amerikanischen, russischen und chinesischen Touristenhorden nicht nach Italien konnten. So war der Besuch des Vatikans, des deutschen Friedhofs im Vatikan, der sixtinischen Kapelle und des Pantheons ohne Wartezeit möglich. Selbst am Trevi-Brunnen standen sich heute die Menschen auf den Füßen. Allein für den Besuch des Vatikans musste man am Wochenende 5 Stunden in der Warteschlange zubringen. Eine Sehenswürdigkeit musste dennoch gekreuzt werden, nämlich die Engelsburg. In aller Frühe haben wir dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt, so dass auch hier keine Verschwendung im Sinne von Wartezeiten anfiel. Die Engelsburg, die ursprünglich als Mausoleum geplant war und später in eine Burg umfunktioniert wurde, bietet einen unglaublichen Blick über die Stadt. Am beeindruckendsten war für mich der, von Burgfenstern umrahmte, Blick auf den Vatikan. Man kann, vor diesem Ambiente, im Kaffee der Engelsburg, seinen Cappuccino genießen, ein Traum. Während unserer Erkundungstouren durch Rom wurde natürlich zünftig beim Italiener gespeist („In Italien ist jeder ein Italiener“ – Gruß an Jörgi). Man muss konstatieren, die Pizza in Rom war ganz großes Tennis. Vielleicht lag es aber auch nur am Ambiente, welches den Gaumen beeinflusst hat. Uns fielen aber nicht nur die guten Restaurants ins Auge, sondern auch Heerscharen schwarz gekleideter Männer im wehrfähigen Alter. So ein Derby hat eben eine gewisse Strahlkraft.
Am Derbytag selbst beschlossen wir die 5 km zum Stadio Olimpico zu Fuß zurückzulegen, um etwas von der Atmosphäre aufzusaugen. Wir kamen über die Roma-Seite, an der Curva Sud am Stadion an. Der Bereich um das Stadion ist weitläufig mit allerlei Fressständen. Die Fans der Roma haben es sich in den umliegenden Kneipen gemütlich gemacht. Für ein Derby war es ungewöhnlich ruhig. Von den Auseinandersetzungen mit der Polizei haben wir erst im Nachgang erfahren. Auf dem Weg zum Stadion kamen wir an einer Schwimmarena (zumindest vermute ich das) vorbei die von weißen Skulpturen umrahmt war, diese hat bei mir einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Man kam sich vor wie im alten Rom. Das Stadion selbst hat auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Es wurde bereits 1932 erbaut und ein paar Mal modernisiert. Am verwitterten Dach sieht man, dass die nächste Modernisierung bald fällig wird. Über den Eingang Monte Mario haben wir das Stadion betreten. An den Mist mit den personalisierten Tickets und der damit verbundenen Kontrolle des Personalausweises werde ich mich nie gewöhnen.
Wir nahmen, flankiert von ein paar Peroni, unsere Plätze direkt neben der Curva Nord ein. Wir hatten ausreichend Zeit, um die Choreovorbereitungen der Ultras Lazio zu beobachten. Während der Vorbereitungen füllte sich langsam die Curva Sud und an der Kante zur Gegengeraden entbrannten zünftige Pöbeleien zwischen den eintreffenden Fans der Roma und den bereits anwesenden Laziofans. Die 8 Ordner hatten alle Mühe die Fans der Roma im Zaum zu halten, irgendwann wurden die Ordner dann doch überrannt und neben jeder Menge Imponiergehabe flogen auch einige Becher und auch mal eine Fackel. Das fing schon mal nicht schlecht an. Als das Stadion schließlich gefüllt war, kamen wir nicht umher die unzähligen Schwenkfahnen zu bewundern. Es ist wirklich irre, was beide Seiten hier aufgefahren haben. Besonders die Seite der Roma wusste mit ihren sehr schönen Schwenkern und Zaunsfahnen zu gefallen. Die Farbkombi rot und gold hat schon was. Meine ausgemachte Lieblingsfahne in der Curva Sud war eine weiß/hellblaue Fahne mit einer Ratte darauf. Eine einfache Botschaft ohne jede Form von Subtilität. Viele Fanszenen tun sich schwer, den Gegner auf einfache Art zu diffamieren, hier ist es definitiv gelungen. Eine Fahne hat allerdings gefehlt, nämlich die der 1972 gegründeten „Fedayn“. Die Fahne wurde, am 04.02.23 von Fans von Roter Stern Belgrad, quasi im Vorbeigehen, an der Kioskbar der Fedayn erbeutet. Im Netz kursieren einige Geschichten darüber, woher die Roter Stern-Fans wussten, wann die Fadayn wo sein würden und wo sie ihr Material haben und welche Verwicklungen / Freundschaften es gibt. Sogar von Verrat innerhalb der Kurve, die politisch gespalten ist, wird gesprochen. In jedem Fall war es ein ziemliches Husarenstück und ein herber Verlust für eine der ältesten Ultragruppen Italiens. Auch die Lazioseite hat das Thema mit einem größeren Doppelhalter aufgegriffen. Darauf zu sehen waren Menschen die sich hinter Büschen verstecken, in Anlehnung an die gestohlenen Fedayn-Banner.
Bevor der ganze Trubel losging wurde der ehemalige Trainier von Lazio (1997 - 2001) Sven-Göran Eriksson unter tosendem Jubel der Tifosi hereingeführt. Er ging schnurstracks zur Curva Nord und posierte mit den Ultragrößen für ein Foto.
Als die geniale Laziohymne gespielt wurde, bzw. die Hymne wurde von einer Sängerin live gesungen, erhob man sich und es wurde laut im Stadionrund. Danach präsentierte die Curva Nord ihre Choreo, bestehend aus einer Blockfahne, mehreren Spruchbändern in und einem vor der Kurve, eingerahmt von unzähligen Fahnen. Bei den Spruchbändern handelte es sich um einen Textauszug der St.-Crispins-Tag-Rede aus William Shakespeares "Heinrich V.". Auf den Spuchbändern in der Kurve war zu lesen:
"Nein, bester Vetter: Zum Tode ausersehn, sind wir genug Zu unsers Lands Verlust; und wenn wir leben, Je klein’re Zahl, je größres Ehrenteil. Wie Gott will! Wünsche nur nicht einen mehr!"
Auf dem großen Banner vor der Kurve war zu lesen: "Uns wen’ge, uns beglücktes Häuflein Brüder"
Damit bleiben sich die Ultras Lazio selber treu, oftmals Spruchbänder mit geschichtlichem Hintergrund und viel Pathos zu verwenden. Es wird darauf angespielt, das die Roma größere Fanscharen hinter sich versammelt, sowohl in der Stadt als auch aus dem Umland oder Ausland. Das ist unter anderem auf Größen wie Mourinho und Dybala zurückzuführen. Somit muss man sich immer gegen einen größeren Gegener behaupten und hat das in der Vergangenheit auch ganz gut gemacht.
Grazie Mille an Simone, der die Backroundinfos lieferte.
In beiden Blöcken gingen ein paar Fackeln an, wobei einige sogar in der Hand gehalten wurden und nicht als „Fußpyro“ endeten. Zu den Fackeln gab es ebenfalls etwas Rauch. Hin und wieder flog aus einem der beiden Blöcke ein (umjubelter) Böller. War witzig anzusehen, wie mehrere Feuerwehrleute einen Rauchtopf in einen Sandeimer beförderten, wenn man sich vor Augen führt, was die Feuerwehr in Belgrad ständig zu tun hat.
Das Spiel war nicht besonders hochklassig. Wie sagt man so schön: „es lebte von der Emotion“. Bereits in der 32 Minute flog ein Spieler der Roma mit gelb/rot vom Platz. Der Abgang wurde von den Laziofans schön zelebriert. Von da an war es wie bei einem Handballspiel, ein Spiel um den 16er der Roma. In der 65 Minute dann endlich der Treffer für Lazio und das Stadion glich einem Tollhaus. Der Torjubel war noch nicht verstummt, da fiel der Ausgleich für Roma und die Curva Sud ging komplett aus dem Sattel, was für ein Jubel, da wären selbst unseren zwei Stammlesern die Ohren weg geflogen. Selbst die komplette Roma-Bank ist durchgedreht. Eine Schande, dass der VAR das Tor kassiert hat. Ich war über diesem Umstand so erbost, dass mich nicht einmal der 5%ige Fake-Borghetti darüber hinweg trösten konnte.
Um zu beschreiben welche Stilblüten die Rivalität hier treibt, krame ich die Szene heraus, in der ein Spieler der Roma den Ball nicht schnell genug heraus gespielt hat, damit ein Laziospieler behandelt werden konnte. Diese Situation nahm ein Offizieller von Lazio zum Anlass, um an der Außenlinie, vorbei an der Roma-Bank, entlangzurennen, um den Romaspieler anzugreifen. Das rief wiederum die Roma-Bank auf den Plan, die geschlossen auf den Laziooffiziellen losging. Die Laziobank ließ sich auch nicht lange bitten und so hatte man einen Riesentrubel auf dem Platz, der das ganze Stadion ansteckte, einfach herrlich. Nach Abpfiff gab es darüber hinaus noch Gerangel unter den Mannschaften, was zu einer weiteren roten Karte führte. Den Sieg feierte das Team von Lazio, standesgemäß, vor dem Block. Einige Spieler kamen, nur in Unterhose bekleidet, aus der Kurve zurück. Das Derby della Capitale hatte richtig viel zu bieten, zufrieden haben wir die 5 km Heimweg angetreten, zusammen mit den bedröppelten Romafans.
Eine Situation ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Ein älterer Mann, vielleicht in den 50ern, bekleidet mit einem Irriducibili-Pullover, kam zu Beginn der zweiten Halbzeit auf unsere Tribüne und schwenkte eine riesige hellblau/weiße Fahne. Ein kleiner Junge war davon so beeindruckt, dass er minutenlang, mit offenem Mund, auf die Fahne starrte und alles um sich herum vergaß. Und so wurde (vermutlich) ein Ultra geboren.
Serge