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Nun ging es auch mal raus aus Buenos Aires, um die dreieinhalb Stunden routiniert mit dem Mietwagen nach Rosario in der Provincia de Santa Fe zu fahren. Man bekommt ja gleich das Gefühl, geil jetzt sehen wir mehr vom Land und nicht nur die Hauptstadt. Was natürlich im Maßstab Argentiniens völliger Mumpitz ist.
Rosario, die Geburtsstadt von Messi und Che Guevara.
Vom Ersten sah man Wandbilder, Nickis zum kaufen, Zaun- und Schwenkfahnen im Stadion, vom Zweiten gar nichts. Ich muss aber natürlich darauf hinweisen, dass der Revolutionär dort nur geboren wurde und zwar bei einem Zwischenhalt der Schiffsreise seiner Eltern.
Schon am Ortseingang fielen uns die Wandbilder der Hinchada von Newell's Old Boys auf. Da waren einige Perlen dabei.
Am Parque de la Independencia in welchen sich das Estadio Marcelo Alberto Bielsa befindet abgeparkt, ging es schnellen Schrittes zu den Kassenhäuschen. Heute waren sie nämlich geöffnet und das Estadio El Coloso del Parque, wie es auch genannt wird, sollte gut voll werden. Dann noch schnell die organisatorischen Sachen, wie zum Hotel fahren, ein zu checken und das Auto abzustellen, erledigt. So konnte dann gemütlich mit Cerveja und Cola zurück zum Spielort gelaufen werden.
An den vielen Grillständen holten wir uns diesmal Bifes. Ein großes Stück Rumpsteak brutzelt vor sich hin und der Grillmeister schneidet so viel davon, ab wie Mann oder Frau möchte. Mal was anderes als die Hamburguesa bzw. die fettigen Chorizo.
Der Südbrandenburger wurde noch sehr ernst darauf angesprochen seine blau gelbe Adidas Jacke weg zustecken.
"It's for your own safety!"
Der Lokalrivale CA Rosario Central hat besagte Vereinsfarben und so verschwand die Jacke im Billa Tschechen Beutel.
Wie ließen das Treiben in dem großen Park noch eine Weile auf uns wirken, um dann in dieses geile geile Stadion zu gehen. Leider wurde ich von einen Ordner kontrolliert, welcher eine rote Armbinde mit weißen Ring und Hakenkreuz auf den Oberarm tätowiert hatte. Ich hab es erst gar nicht unter seinen T-Shirt bemerkt, erst als ich die Kontrolle hinter mir hatte und die Anderen fragten, ob ich das Tattoo gesehen habe, drehte ich mich noch mal um. Und als der Clown bemerkte das wir ihn anschauen, macht er seinen Ärmel hoch und grinst uns an. Was ein Vogel. Ich kann so viel Dummheit nicht nachvollziehen.
Aber jetzt zum wesentlichen. Ach herrje was war denn das heute. Dieses Stadion, diese Hinchada, Wahnsinn, purer Fanatismus. Laut, melodiös und brachial sind Adjektive, die das Erlebte nur ansatzweise beschreiben können. Argentinien!!!!
Komplette Hingabe eines Stadions an seinen Verein. Ich ziehe meinen imaginären Hut.
Die Barra Brava La Hinchada Más Popular und die Los Leprosos waren eines der absoluten Highlights unserer Reise. Den Spitznamen Los Leprosos bekamen der Verein und seine Fans, da um 1920 ein Benefizspiel zugunsten einer Lepra-Klinik veranstaltet wurde.
Wir wurden auch wieder sehr freundlich gefragt und dies war nie aufdringlich, woher wir denn kommen und was wir schon alles auf unserer Reise gesehen hatten. Die Menschen konnten sich oft denken, dass wir nicht nur wegen Defensa y Justicia oder eben den Newell’s Old Boys nach Südamerika gereist sind.
Das gute an solchen Unterhaltungen ist auch immer, dass wir die Fans gleich mit Fragen löchern können.
So wurde uns erklärt, das die durchgestrichene Box, welche auf Fahnen bzw. Graffiti zu sehen ist bedeutet, dass der Lokalrivale Rosario Central Boxen für die Verstärkung seiner Fangesänge nutzt. Diese Mythen im Fußball haben natürlich immer zwei Seiten, aber trotzdem helfen die Erklärungen Hintergründe erst einmal einordnen zu können. Die 74 im Stern ist eine Hommage an die erste Meisterschaft welche die Newell's Old Boys gewinnen konnten und dies auch noch bei einen Clásico gegen ihren Lokalrivalen Rosario Central.
Während des Spieles kam mir noch folgender Gedanke:
Für mich ist das Estadio El Coloso del Parque das Paradebeispiel eines perfekten Fußballstadions. Eine große wuchtige Heimkurve, die Hauptgruppe im Unterrang komplett 90 Minuten am durchpowern, der Oberrang steigt ein, wenn es für ihn passt und hier passte es sehr oft. Die große Gegengerade mit ihren vielen Zaun- und Schwenkfahnen und die Älteren können dorthin wechseln, wenn gewünscht und Platz für die Jugend machen. Eine verranzte Haupttribüne, mit einen VIP-Bereich, wo jeden deutschen Snob, das Buffet aus dem Gesicht fallen würde, wenn er da Fußball schauen müsste. Das Publikum, oder ehrlicher die Fans, weil das hier war kein Publikum auf der Haupttribüne, wo auch wir unsere Plätze hatten, immer am mitgehen, aufspringen und mitsingen. Das ganze Stadion in den Vereinsfarben, inkl. coolen Graffiti bemalt. Die Palmen im Hintergrund. Der kleine Park, wo vor und nach dem Spiel getrunken, gegessen, gefeiert oder gejammert wird. Hier würde ich mich wohlfühlen!
Da heute kein Doppler anstand und mache bei den Luis atmeten deswegen immer noch tief durch, verächtliches schnaufen M’s inklusive, hatten wir genug Zeit für den kulturellen Teil von Rosario. So viel gab es zwar jetzt nicht an zuschauen, aber das Monumento histórico nacional a la Bandera, war dann doch mehr als in Ordnung. Hier hatte Manuel Belgrano das erste Mal die Flagge Argentiniens gehisst, genauer gesagt ist dort der Erfinder der Flagge begraben und die Fahne hisste er 1812 auf einer Insel des in Sichtweite liegenden Río Paraná.
Im Untergeschoss des Monumentes befindet sich auch eine Ehrenhalle dafür. Für 50 Pesos ging es auch noch die 70m hohe Säule empor. Die Aussicht über den Fluss und die Stadt konnten wir eine Weile genießen, bis sich so langsam das Hungergefühl bei uns meldete.
Das Restaurant für das Abendessen suchte erneut BanjaLucas raus. M. äußerte sofort bedenken, da er wohl gestern seine Hausaufgaben nicht zufriedenstellend erledigte und das rausgesuchte Restaurant der besagte Griff ins Klo war.
Diesmal war die Bande aber zufrieden und unser Freund konnte in Ruhe seine Saft schlürfen. Wir saßen letztendlich auch den ganzen Abend dort und musste nur wegen dem Platzregens drei mal den Tisch wechseln. In der Happy Hour hatten dann die Kellner gut mit uns zu tun und wir fachsimpelten über die nächsten Touren, den K-Block oder unsere Wünsche für Dynamo-International. Ihr merkt es lief.
M. und BanjaLucas stiefelten irgendwann mal mit den Regenjacken vom Südbrandenburger und mir los um das Auto vom Hotel zu holen. Die alte Garde durfte im trockenen sitzen bleiben und sich noch ein, zwei genehmigen. Als die Zwei zurück kamen, sprangen wir leicht angedudelt ins Auto. Danke Jungs für den Chauffeurdienst! Aber es gab tatsächlich keine Taxen oder Uber in Rosario.
(Der Kulturbeauftragte)
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