Tag: 17. Januar 2021
Was wollt ich noch gleich in Wladiwostok?Was wollt ich noch gleich in Wladiwostok?
Was wollt ich noch gleich in Wladiwostok?
Von Frederick Johann
“Russland ist ein Rätsel innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium.”
erklärte einst Sir Winston Churchill. Und ich denke er hat es damit sehr gut umschrieben.
Ich hatte dieses kleine Taschenbuch schon ein paar Wochen bei mir liegen und hatte mir vorgenommen es im Lockdown zu lesen. Was passt besser, als in einer Zeit wo nichts geht, einen Reisebericht ins ferne und spannende Russland zu schmökern!
Das Ziel der Reise, von Frederick dem Autor, war mit dem eigenen Auto, einen kleinen mintfarbigen Opel Corsa mit 45 PS, von Wiesbaden bis nach Wladiwostok und zurück zu fahren. Inbegriffen ein Fußballspiel bei Luch Wladiwostok. Über 23.000 Kilometer in 3 Monaten. Nur kurzzeitig war seine Frau mit auf der Tour, den Rest war er alleine in den Weiten des ehemaligen Zarenreiches unterwegs.
Am Anfang des Buches geht Frederick sehr offen mit seiner Depression und seiner Hochsensibilität um. Diese Sensibilität kommt auch immer wieder im Verlauf zur Sprache oder es fällt beim Lesen auf und macht ihn sympathisch. Er erklärt den Grund seiner Reise, die Vorbereitungen und erläutert einen kleinen Testausflug über Polen, Tschechien, der Slowakei und Österreich für 12 Tage mit 30 Spielen. Was ich gleich vorweg nehmen kann ist das Frederick die besuchten Fußballspiele sehr rudimentär abhandelt. Dies stört überhaupt nicht und erinnerte mich stark an Ted Strikers „Eine Reise dorthin, wo der Osten schon wieder Westen“ ist.
Gleich eines der ersten Spiele welches besucht wurde fand im Stadion Izmailovo statt, über welches ich in meiner letzten Rezension im Paranoid Nr. 15 geschrieben hatte. Ein sehr interessanter Spielort! Im kompletten Buch kommt das Herzblut, die Begeisterung und die Freude über diese Reise sehr gut zur Geltung. Sei es das aufsaugen sämtlicher Situationen, und wenn es nur die fast täglichen, natürlich wird auch mal in Hotels übernachtet, bei einer dreimonatigen Reise verständlich, morgendlichen Frühstücke am Heck des kleinen Opel Corsa sind. Seien es die großen omnipräsenten Entfernungshinweisschilder, die auch oft als Fotomotive herhalten mussten, auf welchen die riesigen Distanzen visuell dargestellt sind. Oder seien es die zwischenmenschlichen Begegnungen, mit anderen Reisenden oder auch dem Personal in Shops oder Unterkünften. Alle waren höflich und neugierig auf den Deutschen mit dem kleinen Auto der sich nach Wladiwostok „durchkämpft“. Oft kam auch die Frage, wo denn das große Auto sei? Da doch alle Deutschen ein großes Auto haben! Schön wenn man mal hört was andere über uns Kartoffeln denken.
Frederick macht auch öfters Bootstouren in den bereisten Städten. Ich fand diese Erkundung der Orte interessant, da man einerseits schön gemütlich alles auf sich wirken lassen kann und oft auch die Alt- bzw. Innenstädte am Fußlauf liegen. Da ich mir auch immer über vieles Gedanke mache, fand ich die kleine Anekdote über die Bootstour in Tambov, einer 280.000 Einwohnerstadt südöstlich von Moskau, über den kleinen Fluss Zna schön. Beim schippern über den Fluss dachte sich Frederick warum Tambov eigentlich nicht im Lonely Planet für Russland erwähnt wird? Hat die Stadt doch einiges zu bieten und andere Orte welche im Reiseführer Erwähnung finden eher nicht. Und mein Gedanke dazu war gleich, Ja wie oft haben ich oder meine Reisegruppe kleine Städteperlen besucht, welche wir so nicht auf unserer Agenda hatten, und wir froh waren mal da gewesen zu sein.
Immer weiter ging es für Frederick und seinen treuen mintfarbigen Freund Richtung pazifischen Ozean. Vorbei an Omsk, Nowosibirsk oder am Baikalsee. Immer wieder genießt er dies alles, lässt die Weite auf sich wirken.
Ich hatte bei dem Lesen des Buches immer wieder den Gedanken, ob es mal zu langatmig wird? Da natürlich das Ziel der Reise Wladiwostok ist und die Spannung bis zum erreichen der Stadt den Höhepunkt darstellt!
Aber Frederick muss ja auch die 12.000 Kilometer retour. Und wenn ich als Leser schon den Gedanken habe, wie geht es dem Protagonisten auf der Reise selbst? Aber um ein klein wenig vorweg zugreifen, Frederick fiel in kein Loch.
Wladiwostok bedeutet übrigens übersetzt Beherrsche den Osten. Die martialische Bedeutung rührt wahrscheinlich daher, dass die sowjetische Pazifikflotte in Waldiwostok ihren Stützpunkt hat und natürlich die Lage an sich.
Da Groundhopper fast alles zählen, war es ihm auch wichtig in den bereisten Flüssen oder im Baikalsee zu baden. Und das Wetter spielte mit und der Badespaß kam nicht zu kurz.
Frederick seine Art macht das Buch auch ein wenig mit aus. Klar die Reise und der Weg ist das Ziel mit dem Sehnsuchtsort Wladiwostok, mit dem eigenen Auto, ohne Navi, nur mit Straßenkarten, eigenen Skizzen und Orientierungssinn. Aber er ist sympathisch und empathisch. Ein Beispiel dafür war für mich, dass er das Privileg hatte in einen Hotel irgendwo in Russland als einziger Bier mit aufs Zimmer nehmen zu dürfen! Wahrscheinlich Touristenbonus. Aber er verneinte, mit dem Hinweis er wäre nichts besseres! Top! Ich hätte definitiv anders reagiert hehe. Zur Not hätte ich ein paar Bier für die Zimmergenossen mehr mit genommen und das schlechte Gewissen wäre beruhigt ;-).
Endgültig ein Stein im Brett hatte Frederick als er nicht darüber weg kam das es in einen anderen Hostel nur Heineken, Guinness oder Budweiser, natürlich das falsche aus den USA, gab. Wenn ich an gutes Bier denke, denke ich auch nicht an Holland.
Genau in der Mitte des Buches wurde Wladiwostok erreicht. Mich würde interessieren, ob dies auch beabsichtigt war? Passt jedenfalls. Vier Tage blieb Frederick in der Stadt wo die transsibirische Eisenbahn ihr Ziel hat oder halt ihren Startpunkt. Er hatte das Glück sehr interessante Menschen in seiner Unterkunft kennenzulernen, mit welchen er teilweise auch heute noch den Kontakt hält. Das Fußballspiel bei Luch klappte auch ohne Probleme und diesmal ging er auch einmal ausführlicher darauf ein. Verständlich da das Spiel auch mit als Grund der Reise gesehen werden kann.
Nun begann also die rund 11.000 km lange Rückreise! Wenn man darüber nachdenkt ist das eine wahnsinnige Distanz. Frederick war weiterhin voller Elan und spulte alles mit der bekannten Euphorie und Begeisterung ab. Die Abläufe änderten sich auch nicht im Vergleich zur Hinfahrt. Endlose Weite überall, weiter wurden fleißig die Städte besichtigt, hier und da ein Fußballspiel geschaut oder den immer freundlichen Russen seine Reise erklärt. Alles mit seiner eigenen Art. So langsam kam dann das sympathische Duo, also Frederick und sein kleiner Flitzer, wieder in Richtung Moskau.
In der Hauptstadt wurde noch mit einen Torpedo Moskau Fan und seiner Freundin, welche er im voraus der Reise über das Internet kennenlernte, eine Stadtrundfahrt unternommen, ein kleiner Umweg nach Jaroslawl gemacht, um dann endgültig über das Baltikum, Kaliningrad und Polen zurück nach Wiesbaden zu fahren.
Der mintfarbige kleine Corsa überstand die Reise tapfer, auch wenn kurz vor Ankunft in der Heimat so langsam kleinere Mängel auftraten. Für Frederick überwogen die positiven Eindrücke natürlich deutlich. Um seine Rückkehr macht er dann auch kein großes Tamtam.
„Die schönste Tour aller Zeiten, welche mich an das andere Ende der Welt führte, viele magische Momente bereithielt und mich bis an mein Lebensende prägen wird, endete nun.“
Die Geschichte um Frederick seine Reise, hat mich gut unterhalten. Oft habe ich Orte, Regionen oder auch Dinge die ich im Buch aufgeschnappt hatte nachgeschaut und so auch immer mal wieder was neues gelernt. Ich würde sagen meine Geografiekenntnisse über Russland haben sich auch verbessert. Ich kann schlecht sagen, ob das Buch die große Masse an Fußballreisenden anspricht. Ja ich benutze selten das Wort Groundhopper, da Frederick nicht viel über die Stadien oder die Spiele schreibt und die Reise zu 100% im Vordergrund steht. Frederick setzt auch keine wirklichen Höhepunkte in seiner Erzählung. Wenn man möchte kann man sagen, man arbeitet sich mit ihm bis nach Wladiwostok durch und dann weiter zurück nach Wiesbaden. Da mir aber Russland sehr gefällt und Frederick grundsympathisch ist war dies für mich kein Problem. Ich kann für mich sagen, der Kauf und das Lesen haben sich definitiv gelohnt!
(Der Kulturbeauftragte)