Tag: 30. Juli 2024

VollamateureVollamateure

„WENN Wolken, Sonne, Regen, Schnee, Graupel, Hitze, Hagel oder Nebel, DANN 18er-Alu!“

Diesen Satz las ich durch Zufall beim wahllosen „Ich schlage einfach mal eine Seite auf“ als ersten. Und ich war direkt vom Buch abgeholt. Denn ich konnte diese Aussage nur bejahen. Weil ich diese Aussage ebenso aus meiner aktiven Fußballzeit kannte. Für manche ein Running Gag, für andere (mich) der volle Ernst. Denn auch ich spielte oftmals mit dem Gedanken die Stollen anzuspitzen. Und als gelernter Forstwirt war ich nicht nur dafür zuständig die Bäume im Wald zu fällen. Nein, auch die Gegenspieler auf dem Platz wurden von mir fachgerecht gefällt. Und all die Jahre sah ich trotz der vielen (Blut)Grätschen nur eine einzige gelbe Karte. Gewusst wie, sag ich mal.

Getoppt wird die obige Aussage nur durch eine kleine Tabelle, in welcher wie folgt aufgezählt wird:

1. Rasen, Regen, 10°C – 18-mm-Alu-Stollen

2. Kunstrasen, bewölkt, 17°C – 18-mm-Alu-Stollen

3.Asche, sonnig, 26°C – 18-mm-Alu-Stollen

4. Sporthalle, schwül, 32°C – 16-mm-Alu-Stollen

Doch nicht nur die Liebe zum 18er-Alu-Stollen wird beschrieben, sondern auch die Ernährung der Amateursportler. Weiter das Entstehen des Strafenkatalogs für so ziemlich alles was rund um Training und Spiel passieren kann. Auch wie die Top-Spieler zu anderen Vereinen gelotst werden und Firmeninhaber plötzlich Sponsoren werden. Das Maß der Trainingsbeteiligung und der Härtegrad von Fußbällen, sowie noch viel mehr. Alle Amateursportler und -sportlerinnen kennen es. Die Gerüche in den Kabinen (direkt musste ich bei der ausführlichen Beschreibung der verschiedenen, zusammengewürfelten Gerüche die Nase rümpfen, denn sofort stieg mir der Geruch in die Nase), die Feiern, die Teamabende und die mangelnde Trainingsbeteiligung. All das beschreibt Lennard Ann auf sehr witzige Art und Weise. Als Beispiel sei hier der Geräteschuppen des Grauens genannt:

„Der Geräteschuppen, oft auch ein Gerätekeller, ist die Kammer des Schreckens. Hier sammelt sich alles an, was dein Verein so über Jahrzehnte angeschafft hat. Antike Bälle aus echtem Schweinsleder, Tornetze aus Stacheldraht und Medizinbälle aus einer Zeit, als Turnvater Jahn noch nicht mal geplant war. Ein offener Kreideeimer, aus dem irgendwelche mutierten Pflanzen wachsen – Szenen wie in Harald-Cernybil.“

All das, was Lennard Ann in diesem kurzweiligen Buch mit 60 kurzen Kapiteln beschreibt, hat er in seiner eigenen Laufbahn als Fußballer zum Großteil selber erlebt. Denn er spielte selber 13 Jahre Fußball von der 4. Liga bis in die Kreisklasse in Norddeutschland. Nahe am Profifußball war er wohl bei der 2. Mannschaft des VfB Lübeck (scheinbar verkannte der VfB das Talent), schaffte aber nie den Sprung so wirklich und wechselte von da zum SV Lurup und SV Eichede, bevor es über den großen Teich in die USA zu den Saint Peter’s Peacocks (Team des Saint Peter’s College in Jersey City, New Jersey) ging, wo er ein paar Jahre die Kugel über den Platz bolzte. Auf dem Weg zurück nach Norddeutschland legte er einen Stopp bei Accademia Pavese ein, was Trainingszentrum und zugleich Fußballschule des F.C. Internazionale Milano ist. Dort 4 Jahre wieder den Ball über den Rasen gedroschen, verschlug es ihn zurück nach Deutschland zum VfL Tremsbüttel zum VfL 93 Hamburg. Danach war er noch bei JuS Fischbeck (als Spielertrainer) und Hamm United II, ehe er seine Karriere als Fußballer beendete und die Buffen an den Nagel hängte.

Ihr seht, dass Lennard Ann genug Erfahrung im Fußball gesammelt hat. Und wenn ich mir den Inhalt seines Buches so anschaue, so hat er scheinbar immer eifrig mitgeschrieben, um auch gar nichts zu vergessen. Zum Glück für uns. Denn so ist ein kurzweiliges Buch entstanden, was mit seinen 256 Seiten schnell gelesen ist. Langweilig wurde mir beim Lesen zu keiner Zeit und ich konnte, oder wollte, nicht wirklich mit dem Lesen aufhören, denn ich wollte gleich die nächste Story lesen und sehen, ob ich mich und meine Zeit im Amateurfußball wiederfinde. Und das war einige Male. Ob beim 5 gegen 2, bei Vereinsfesten, der Kabine oder dem Spiel an sich. Vieles ähnelte sich und das ist wohl das, was den Amateurfußball ausmachte. Auch wenn dieser, wie Lennard Ann schreibt, sich immer mehr vom Profifußball abschaut, so bleibt er doch stets unberechenbarer als dieser. Und mit jeden Schritt in der Ligapyramide nach unten wird das offensichtlicher. Denn wo Slapstickeinlagen, Fehlpässe, das „Schiri!!!“ und Sprüche wie Bemerkungen auf und neben dem Platz zu finden sind, bei denen ich auch schon sehr oft auf und neben dem Platz lachen musste, da ist der wahre Fußball zu Hause. Weniger durchorganisiert, ein klein bisschen dilettantisch und dennoch mit ganz viel Herz, Freude und Hoffnung auf dem großen Sprung nach oben. Auch wenn dieser Sprung nach oben vielleicht nur die 2. Kreisklasse ist und das eigene Team somit über den Lokalrivalen steht, der in der 3. Kreisklasse verbleibt. Denn da lässt sich, frei nach Lennard Ann, „wie ein Pfau in der Firma stolzieren, selbst, nein, GERADE dann, wenn du eigentlich Urlaub hast!“

Das Buch ist eine komplett runde Sache und wird dem Amateurfußball mit diesem heiteren, von Wortwitz unterlegten, Blick auf eben diesen Fußball zu 100 % gerecht. Eine wundervolle Hommage an den Amateurfußball. Und vor allem kaufens- sowie lesenswert. Von mir erhält das Buch „Vollamateure“ 10 von 10 Kopaneschnecken. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen dieses Buches.

Abschließen werde ich diese Rezension mit einem weiteren, kleinen Auszug aus dem Buch, der mir wirklich die Lachtränen in die Augen trieb. (goju)

„Am Spieltag dann der Kulturschock: Der Gegner aus dem Nachbardorf hat originale WM-Bälle gekauft. ‚Na die haben ja auch Kohle!‘, spotten eure Leute. Vor Schreck landen die ersten drei Seitenwechsel deiner Truppe erstmal auf dem Parkplatz im Knick dahinter. Alle Beteiligten erschrecken sich: Der Spieler, weil der Ball so gut ist, und der Ball, weil der Spieler einfach nichts im Fuß hat, außer Arthrose.“