Nach der unruhigen Nacht in Bremerhaven war ich schon vor dem Weckerklingeln wach (wieso stellte ich mir den eigentlich auf sechs Uhr am Morgen?) und verzehrte zunächst mein mitgebrachtes Frühstück bestehen aus Müsli, Obst und Hafermilch. Damit war die Frage „Breakfast. Machen sie so etwas.“ für mich dann beantwortet. Da ich es alleine langweilig fand, machte ich (WLAN sei dank) Youtube an und irgendwann schälte sich der Kostverächter auch mal aus dem Bett. Nachdem wir beide fertig für die „Streets of Crime City Bremerhaven“ waren, trauten wir uns auch endlich zum örtlichen Supermarkt. Auf dem Weg dahin, sah ich noch einen Hansa-Aufkleber, welcher von Rosenheim überklebt wurde. Und damit ist dann zu dieser Stadt aber auch wirklich alles gesagt.
Nach dem gestrigen Austausch, wo wir an diesem Abend denn noch etwas essen würden, entschieden wir uns (also ich) dafür, uns in der Küche selber was zu kochen. Denn der Vorschlag vom Abend, in die gegenüberliegende Pizzeria zu gehen, stieß bei mir auf wenig Gegenliebe:
„Wir können morgen Abend uns was in der Pizzeria holen.“
„Ich meine nicht, dass die was veganes im Angebot haben.“
„Die werden ja wohl eine Pizza Margherita mit Käse hab…“*
„Ja, weiter. Ich höre.“
*Gesicht, welches die eigene Falschaussage erkennen ließ
Damit war das Thema dann durch und der Supermarkt wurde geplündert. Und das nehme ich jetzt in bester Spoilermanier vorweg: Dem Kostverächter schmeckte es am Abend.
Bevor wir allerdings zum großen Foodhaul ansetzten, sah ich, wie ein, ich sag jetzt mal hygienisch bedenklicher, Mensch mit seinen blanken Siffpfoten in die Brötchenauslage fasste. Da hob es mich kurz an und ich war direkt für den Rest des Tages satt.
Naja, als wir dann den nötigen Einkauf erledigt hatten, saßen wir auch schon im Auto und ich erwartete mit Cuxhaven eine schöne Stadt. Doch oh Graus: Einmal durch das Industriegelände gefahren, stank das Gadgeto-Mobil nur noch nach Fisch. Und mein Magen meldete sich wieder. Also Norddeutscher zu werden steht jetzt bei mir ganz weit unten in der Liste.
Als wir unser Schiff, die „Fair Lady“, erreichten, stand schon eine gewaltige Schlange an Tagestouristen und Fußballtouristen davor. Und so richtig riss die Schlange auch nicht ab. Doch das war ja mehr als zu erwarten. Wenn Helgoland ruft, dann folgen die Massen.
Für mich war es der zweite Besuch auf dieser Insel. Das erste Mal war ich im Jahr 1992 oder 1993 dort und musste damals, um vom Fährschiff zur Insel zu gelangen, noch ausbooten. Ja, was ist dieses ausbooten? Damals, als ich noch ein kleiner Racker war, bedeutete das Ausbooten, dass ich vom großen, sehr großen Fährschiff in ein kleines, sehr kleines Helgoländer Börteboot springen musste. Bei starken Wellengang, Wind und drängelnden Silberlocken, welche von hinten schoben. Da wurde mir damals schon anders. Dieser Moment, als der Börtebootkapitän sagte „Spring einfach.“ und ich mit „Hehehehehe...ja...ja...ja...NEIN!“ reagierte und er ganz fürsorglich „SPRING JETZT!“ sagte und ich mich schon während des Sprungs zwischen Fährschiff und Börteboot ins Wasser fallen sah. Das war der erste Eindruck von Helgoland in meinem Leben. Es konnte nur besser werden.
Und das wurde es. Denn auf der Überfahrt glänzte die Nordsee mit ruhigem Gewässer, der Wind war schwach und die Sonne tat ihr bestes, um diesen Tag einen ganz besonderen werden zu lassen. Und als dann nach ca. 2,5 Stunden am Horizont Helgoland auftauchte war das schon, entschuldigt bitte die Wortwahl, geil. Auch wenn wir die nächste halbe Stunde scheinbar nicht wirklich näher kamen. Innerlich bereitete ich mich schon auf das Ausbooten vor, doch das Schiff steuerte direkt den Südhafen an und warf den Anker. So mussten der Kostverächter und ich nur noch schneller als die mit den Füßen scharrende Meute am Sportplatz sein, um dem ganz großen Ansturm zuvor zu kommen. Und das schafften wir dann auch bravourös, denn scheinbar stellte sich ein Großteil der Meute doch ein paar mehr Bier als nötig in den Hals. Wenn schon keine Auswärtsfahrt, dann scheinbar wenigstens das Gefühl von Auswärtsfahrt. Werde ich glaube nie verstehen, wie Mensch sich ständig Alkohol in den Körper füllen kann.
Der Fußballplatz Nordostgelände besticht durch eine einmalige Lage. Meer auf der einen und Steilklippen auf der anderen Seite. Hätte hier jetzt statt dem Kunstrasenpltz ein Hartplatz (wie bis in die 80iger Jahre) gelegen, der Kostverächter hätte sich in den Mittelkreis gelegt und den Platz geschwängert. Oder so ähnlich.
Natürlich gab es auch kritische Stimmen zu dieser Veranstaltung. Persönlich fand ich es auch scheiße, irgendwelche Bremen- oder Kaiserslauterntrikots zu sehen. Ebenso wurde gefragt, was an diesem Kunstrasenplatz so besonders sei und ob sich so ein Aufwand dafür lohnen würde. Doch den Kritikern sei gesagt: Für einen ähnlichen Kunstrasenplatz in Berlin würde ich nicht so einen Aufriss betreiben. Aber wie es bei Immobilien nun einmal so ist: Es zählt die Lage, Lage, Lage. Und auch, dass hier nur aller Jubeljahre mal ein Fußballspiel stattfindet.
Dieses Fußballspiel war natürlich nicht so die große Kost. Aber bei den beiden Ligen, aus welchen die beiden Teams kamen, brauchte das auch niemand erwarten. Was wohl wieder eher für beide zählte, war die Tatsache, auf einem besonderen Sportplatz vor einer deutlich größeren Kulisse als zu sonstigen Heimspielen gegen den Ball treten zu können und somit auch Werbung für den Amateurfußball machen zu können. Denn dieser ist in Deutschland doch unterrepräsentiert, was die Zuschauergunst angeht. Und ein jeder Amateurverein aus einer Kleinstadt, vom Dorf oder aus dem lokalen Kiez in der Großstadt hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. Denn wo, wenn nicht beim Amateurfußball, wollen Fans noch diese Freiheiten und fast kommerzfreie Zone genießen? Somit geht ein großer Dank an Passion&Football für die Organisation und die SG Sengwarden/Fedderwarden, sowie dem Polizei SV Braunschweig e.V. (nach dem Spiel skandierten sie: „Wir sind keine! - BULLENSCHWEINE!“) für diesen super Tag, der alles bereit hielt, was es braucht um ein super Tag zu werden. Denn auch mit Bekannten, welche schon zwei oder drei Jahre nicht mehr gesehen wurden, konnte sich lange ausgetauscht werden. Die GSKR-Tour hatte sich vollends gelohnt.
Kurz vor Abpfiff des Spiels wurde noch auf das Spiel eines gemischten Teams der SGSengwarden/Fedderwarden und des PSV gegen den VfL Fosite Helgoland 1893 e.V. um 19 Uhr hingewiesen und sich über Zuschauer gefreut. Doch leider musste die Meute zum Schiff. Somit war quasi ab 18 Uhr wieder Ruhe auf der Insel.
Doch bevor es für uns soweit war, erklommen wir die Klippen und schlichen uns ein wenig im Oberland herum. Zu bieten hat die Insel, welche leider keine Hochseeinsel ist, da sie noch auf dem Schelfsockel liegt, aber gern als „Deutschlands einzige Hochseeinsel“ bezeichnet wird, so einiges. Neben der Inselkultur, dem entspannten Leben ohne Autos und viel Meer, kann sich Mensch auch die Basstölpel, die Lange Anna, einen Bombenkrater einer 5.000kg-Bombe, Schafe und noch wenig erkundete Bunkeranlagen anschauen. Denn in der bewegten Geschichte Helgolands testeten nach dem II. Weltkrieg die Briten hier Bomben. Doch schon in der Antikem spätestens im Mittelalter waren hier Menschen anzutreffen. Einst war Helgoland eine britische Kolonie und wurde im Tausch gegen Sansibar dem Deutschen Kaiserreich übergeben. Ab da an wurde die Insel zu einer Festung und zu einem Marinestützpunkt ausgebaut. Aber das alles jetzt hier wiederzugeben würde den Rahmen mehr als nur sprengen.
Schaut es euch die Insel selber an. Es müssen ja nicht gleich zwei Wochen Urlaub hier sein. Ein verlängertes Wochenende sollte fast schon ausreichen die Ruhe zu genießen. Und den Blick auf das Meer in einem 360°-Blick vom Pinneberg aus, welcher zugleich die höchste Erhebung im Landkreis Pinneberg ist. Und wenn ihr Glück habt, hat die Inselverwaltung sich etwas nettes einfallen lassen. Denn am Tag unserer Anwesenheit gab eine Sängerin der Kelly Family hier ein kleines, kostenfreies Konzert. Und zollfrei könnt ihr hier auch einkaufen.
Leider fand dieser Tag zu schnell sein Ende. Gemeldet wurden uns vorab Wind, Regen und 15°C, bekommen haben wir Windstille, Sonnenschein und um die 25°C. Besser ging es nicht. Dazu das Fußballspiel und die Natur und die kulturellen Eindrücke. Da frage ich mich, wo eigentlich der Kulturbeauftragte war?
Ich hatte schon eine kleine Träne im Auge, als die „Fair Lady“ ablegte, den Südhafen verließ und Helgoland immer kleiner wurde. Zumindest, bis der Kostverächter mir mitteilte, dass ein Schwimmer Helgoland erreichte, als wir gerade ablegten. Mag jetzt nicht so besonders klingen, aber der Extremschwimmer André Wiersig schwamm die 50 km von St. Peter-Ording auf die zu Helgoland gehörende Badeinsel Düne in 18 Stunden. Da ziehe ich direkt den Hut. Einfach unglaublich.
Als der Dieselknecht im Schiffsbauch mit seinem monotonen Klang und das immer gleiche Rauschen des Meeres so langsam gedanklich abschweifen ließen, überlegte ich mir, wie es wohl sei, wenn ich auf Helgoland aufgewachsen wäre. Würde ich immer noch dort leben, oder hätte ich irgendwann die Flucht ergriffen? Spätestens mit Beginn der Ausbildung oder des Studiums. Und was wäre das für ein Gefühl, wenn ich zwei- oder dreimal im Jahr nach Helgoland kommen würde. Ganz vorn auf dem Schiff stehend, die Augen geradeaus und dann taucht die Insel langsam am Horizont auf. Das stelle ich mir schon schön vor. Diese Art von nach Hause kommen.
Hatte ich euch schon mitgeteilt, dass wir kurz vor Cuxhaven Delfine in der Nordsee/Elbmündung sahen? Und Haie gibt es hier und in der Ostsee auch. Heringshaie. Drei Meter lang und sehen dem Weißen Hai ähnlich. Ich wünsche viel Spaß beim Baden. (goju)
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