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27.02.2022; 18:00 Uhr
FK Crvena Zvezda Beograd – FK Partizan Beograd
Beograd, Stadion Rajko Mitić
Super Liga – 41.000 Zs. – 2:0
geschätzte Lesezeit ca. 4 Minuten


Wo fängt man an, wo hört man auf, wenn man etwas beschreiben will, was eigentlich nicht zu beschreiben ist? Die Belgrad-Veteranen werden wissen, von was die Rede ist.

Genug der Philosophie, man fängt am besten von vorne an, mit den Augen einer Belgrad-Derby-Jungfrau.

Von ungarischer Seite aus fuhren wir in Serbien ein und wurden mit den Worten „open trunk“ freundlich aufgefordert, den Inhalt unseres Kofferraumes zu präsentieren.

Es gab offensichtlich nichts zu beanstanden, in jedem Fall durften wir passieren.

Bereits, weit vor der Stadtgrenze waren alle Rastplätze mit Polizisten besetzt und das war erst der Vorgeschmack, auf das was noch kommen sollte.

Die Einfahrt in die Stadt war eine reine Lustreise für jeden Ostblock-/Plattenbauromantiker.

Mein Lieblingsgebäude war schnell gefunden, ein riesiger, geteilter Wohnblock mit einer runden Turmspitze, offensichtlich konstruiert von einem Größenwahnsinnigen.

Die dominierende „Farbe“ war grau in jeder denkbaren Schattierung. Lediglich in neueren Bereichen der Stadt konnten gläserne Neubauten ausgemacht werden.

Vor uns breitete sich der riesige Moloch Belgrad aus, dessen Stadtgrenzen das Auge nicht erfassen konnte und der einem das Herz zum höherschlagen brachte.

Das abparken an der Unterkunft gestaltete sich als aussichtsloses Unterfangen, also musste das Fahrzeug ins Parkhaus, war vielleicht auch besser so.

Nach einer kurzen Wartezeit konnten wir unsere, durchaus sehr hässliche, Wohnung beziehen.

Uns wurde, unter dem Hinweis auf Lebensgefahr, von der Verwendung des Fahrstuhls abgeraten (don’t use elevator, it’s dangerous. Neighbours use it, but i would not recommend“).

Weil uns nicht viel Zeit blieb, haben wir uns direkt wieder auf den Weg gemacht.

Auf dem Weg zum Stadion sind wir an einem wirklich schönen Restaurant hängen geblieben und da Ćevapi kredenzt wurde, hatte man uns an der Angel.

Das Hinweisschild zur Maskenpflicht wurde hier anscheinend nur als freundliche Empfehlung gewertet, jedenfalls haben wir, bis auf den Kellner mit seiner Maske auf Halbmast, niemanden mit Maske gesehen.

Das Rauchverbot in Restaurants ist augenscheinlich nicht bis nach Serbien geschwappt. Unser Essen jedenfalls, wurde vom blauen Dunst begleitet, willkommen in den 80ern.

Das Ćevapi war großartig und das Jelen Pivo hat ebenfalls geschmeckt, man munkelt, die Cola soll auch nicht schlecht gewesen sein.

Auf dem Weg zum Stadion fielen uns etliche Ratko Mladic-Graffitis (ehem. Bosnisch-serbischer General) auf, der Balkan-Krieg ist noch immer allgegenwärtig.

Der Kreisel, in der Nähe des Stadions, wurde von einer Polizeikette abgesperrt.

Diese Polizisten haben aber auch gar nichts mit den Bockwurstbullen gemein, die einen hierzulande begegnen, die ganze Erscheinung ist auf Einschüchterung ausgelegt.

Mit einem angewiderten Kopfnicken wurde wir zur Tankstelle durchgewunken.

Nachdem der Kreisel frei war, haben wir uns ein paar Minuten Zeit genommen, um die vielen Kriebel zu beobachten, die überall herumschlichen.

Auch der Einmarsch der Heimszene wurde mit glänzenden Augen beobachtet.

Was direkt auffiel waren die nichtvorhandenen Fandevotionalien, selten sah man mal jemanden mit einem Schal.

Beim Betreten des Marakana (Stadion Rajko Mitić) wurden wir sehr halbherzig kontrolliert, was dazu führte, dass sich keine großen Schlangen an den Eingängen bildeten.

Das Stadion war bereits gut gefüllt, so das der Block, neben unserem, freigegeben werden musste.

Im übrigen interessieren Sitzplatznummern hier keine Sau.

Bereits beim Warmmachen flogen Böller aus beiden Fankurven.

Und wir sprechen hier von Böllern, die den Flügelschlag eines Schmetterlings davon entfernt waren, eine Handgranate zu sein. Die Detonationen ließen einen (anfangs) zusammenzucken.

Die Polizisten vor den Kurven nahmen das alles mit gemütlicher Gelassenheit hin, auch wurde niemand wegen eines Knalltraumas abtransportiert.

Die Böllerei zog sich durch das gesamte Spiel und am Ende werden es über 100 Böller gewesen sein, welche im Innenraum detonierten.

Zu Spielbeginn, hat der, gut gefüllte, Partizan-Block eine Rauchshow, gemixt mit ein paar Bengalen präsentiert, trotz des Nebels wurde das Spiel angepfiffen.

Auf der Gegenseite wurde eine Papptafelchoreo präsentiert, ein Seitenhieb auf die größte Partizan-Ultragruppierung (Totengräber – Grobari). In der Filmszene aus einem jugoslawischen Kultfilm, rennen die Grabräuber, beim Erscheinen eines Mannes, weg.

Die gelb/blaue Hintergrund wurde eher zufällig gewählt. Dies wurde einem vor allem bewusst, als die „Serbia…Russja“-Wechselgesänge durchs Stadion schallten.

Interessant war, dass Roter Stern sich nicht im Stadion aufwärmt, anscheinend, um die Stimmung noch ein wenig aufzuheizen.

Auf Partizan-Seite wurde nicht nur eine schöne Pyroshow geboten, auch wurden, noch vor dem ersten Tor, einige Sitzschalen dem Feuer übergeben, total verrückt.

Man muss sich vor Augen führen, dass allein für einen Böller, in Deutschland Spiele abgebrochen werden und hier öffnet sich, alle paar Minuten, das Tor zur Hölle.

Nach den beiden Toren für Roter Stern gab es wildes Gezündel und frenetischen Jubel.

Wir konnten nicht aufhören die Feuerwehrleute mit ihren gelben Kapuzen zu beobachten, die in einer Seelenruhe, die brennenden Fackeln in Sandeimer warfen, langweilig wurde es denen jedenfalls nicht.

In die Halbzeit wurden die Mannschaften so verabschiedet, wie sie begrüßt wurden, mit Böllern.

Der Beginn von Hälfte zwei begann mit der größten Pyroshow, die meine Augen jemals gesehen haben.

Ich hätte nicht gedacht, dass nach den Jubelarien aus Hälfte eins noch Restbestände vorhanden waren, wie man sich doch irren kann.

Hunderte Bengalen wurden angerissen und verwandelten die Heimkurve in ein Flammenmeer.

Der Funke von den Rängen sprang auch auf den Platz über und es gab eine zünftige Rangelei, mit reichlich Körpereinsatz.

Großer Jubel nach Schlusspfiff, den einige Partizan-Fans nicht mehr miterlebt haben.

In Erinnerung bleibt ein Partizan-Anhänger der quasi die komplette zweite Hälfte pausenlos durchgeflucht hat.

Äußerst zufrieden traten wir den Heimweg durch die Dunkelheit an und haben diesen verrückten Abend mit einem weiteren Ćevapi in unserem „Stammrestaurant“ ausklingen lassen. (Serge)



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Author: kopane.de

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