Das Internet widert einen, in all seinen Facetten, zuweilen nur noch an.
Es nimmt dir die Spontanität, die Zukunft ist bekannt und plötzliche Wutausbrüche, aufgrund sich ändernder Gegebenheiten, sind lange vorbei.
Warum rege ich mich so auf?
Ganz einfach, bereits auf der Fahrt zum Frankfurter Flughafen vermeldete die Wetter-App, für 16:00 Uhr ein zünftiges Gewitter. Ich höre mich noch sagen, „bitte keinen Regenstart“, das nächste was du hörst ist die Ansage des Piloten, der Flughafen habe seinen Betrieb eingestellt und du sitzt jetzt noch 2 Stunden im Flugzeug und darfst darauf warten, dass der teuer erkaufte Rausch, aus Bier und Wodka-Lemon nachlässt.
Das fing wirklich gut an.
So, ich rege mich wieder ab, zornige Berichte sind ohnehin GoJus Turf, also wieder zurück zum Spaß des Lebens.
Da es sich bei dem Trip um den Geburtstagsausflug meiner Frau handelte, wurde natürlich ein angemessenes Touriprogramm eingebaut.
Und wer schon einmal in Barcelona war, weiß, dass das keine allzu große Herausforderung ist. So wurde der Arc de Triomf, die Sagrada Familia, das Gaudi-Haus und die Ramblas besichtigt. Am Meer wurde ein Estrella Damm getrunken, es gab Paella samt Sangria und im Pim Pam Burger wurde der berühmteste Burger der Stadt herunter geschlungen.
Auch der Park Güell durfte nicht auf unserer Liste fehlen.
Für mich persönlich ist Barcelona sicherlich unter den Top 3 der europäischen Großstädte, aber mit Meinungen verhält es sich ja wie mit Arschlöchern, jeder hat eins.
Ich liebe einfach diese Entspanntheit, dieses Leben und Leben lassen, das die Stadt, trotz Tourimassen, nie überfüllt wirkt, darüber hinaus ,das Meer und den tollen Strand vor der Nase hat und nicht zu vergessen, die Tapas.
Ich frage mich, ob die „Eingeborenen“ überhaupt wissen, wie schön sie es haben?
Zurück zum Geschäft, am Sonntag, quasi als Kirsche auf der Torte, dann das Spiel des FC Barcelona gegen Real Valladolid.
Ich muss zugeben, ich ärgere mich über mich selbst, dass ich den ersten Bericht über das Camp Nou erst bei meinem vierten Besuch in diesem Tempel schreibe.
Jetzt ist natürlich der Feenstaub beim ersten betreten dieser Riesenschüssel zum größten Teil verflogen, man sieht sicher mehr mit den Augen als mit dem Herzen, aber seid drum, ich kann es nicht ändern.
Der Umbau des Camp Nou hat noch nicht begonnen, so das wir in noch in den Genuss des (mehr oder weniger) Originalzustandes gekommen sind.
Unsere Plätze lagen im vierten Oberrang der Gegengeraden, definitiv nichts für Menschen mit Höhenangst.
Trotz der Entfernung hat man einen recht guten Blick aufs Spielfeld, wobei ich einmal dachte, die über dem Spielfeld angebrachte Spidercam wäre ein Barca-Spieler und ich laut, „spiel rüber“ rief, kann mal passieren, lag vielleicht auch an den vielen Estrellas vorm Spiel.
Ich frage mich immer, wie sich ein Gegner der gegnerischen Mannschaft fühlt, wenn er das Camp Nou betritt, das muss einen doch erschlagen?!
Vor Jahren habe ich mal eine Stadionführung mitgemacht und betrat, über die ausgetretenen Stufen des Spielertunnels, das Spielfeld und ich war schon massiv beeindruckt, und das obwohl keine Zuschauer im Stadion waren. Man stelle sich vor, es ist Classico und die Bude ist mit 99.354 Menschen gefüllt oder noch besser, mit 119.000 Menschen. So viel passten nämlich vor dem Rückbau hinein.
Na gut, heute waren es nicht so viele (83.972) und, wenn man die Touris herausgenommen hätte, wären es sicher 25.000 Zuschauer weniger gewesen, aber die Kulisse war dennoch beeindruckend.
Rings um uns saßen sicher 20 Menschen in Lewandowski-Trikots, ingesamt waren es wesentlich mehr, es scheint fast so, als hätte die Stadt einen neuen (Achtung Wortspiel) „Messi-as“.
Es waren keine fünf Minuten gespielt und allen war klar, wie das hier endet. Der Druck von Barcelona war so hoch, dass Valladolid zu einem lupenreinen Diamanten gepresst wurde. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mal über die Mittellinie kamen. Das Camp Nou quittierte es mit „Barca“ Sprechchören.
Im Fanblock der Barca-Ultras gab es ein paar Zaunsfahnen, einige Schwenker und jede Menge Trommeln. Was es aber auch gab, war jede Menge Platz. Der Block war vielleicht zu 60% gefüllt.
Das Liedgut bleibt nicht in Erinnerung, es machen auch einfach zu wenige mit. Einzig die Polonaise in Hälfte zwei und die Blockfahne, umrahmt von Schwenkern, in Gedenken an die einstige, katalanische Unabhängigkeit waren cool.
Die Jungs geben sich echt Mühe, aber der Funke springt nicht über, es ist alles zu groß, zu professionell, zu weit weg vom Dreck eines „normalen“ Fußballvereins.
Das Spiel ging mit 4:0 an Barca, Lewandowski erzielte 2 Tore, eines davon mit der Hacke. Dem Operettenpublikum gefiel es, man erhob sich zu Lewandowski-Sprechchören und um nach den Toren zu klatschen. Geklatscht wurde auch (3x) bei der Barca-Hymne, die einen ekelhaften Ohrwurm verursacht.
Nicht geklatscht haben die Gästefans, von denen war nämlich keiner da, zumindest habe ich keinen gesehen. Der räudige Gästeblock, im 4. Oberrang, neben der Anzeigetafel, war verweist.
Ich erhob mich, um mich über 4 Touris aufzuregen, die 70 Minuten lang Selfies machten, nur um dann in der 71. Minute zu verschwinden.
Der nächste Aufreger und da hat das linke Auge kurz gezuckt, war die Tatsache, das lediglich alkoholfreies Bier ausgeschenkt wurde.
So beobachteten wir, immer nüchterner, wie über der Haupttribüne des größten Stadions der Welt, in dem europäisch gespielt werden darf, die Sonne versank.
Trotz der Menschenmassen ging es sehr gesittet, sowohl bei der Anreise, als auch bei der Abreise, zu.
Ich empfehle eine Cabify-Fahrt beim Hin-und Rückweg.
Die U-Bahnen sind einfach viel zu voll und fahren zum Teil durch ohne zu halten. Ein Besuch im Camp Nou kann jedem wärmstens ans Herz gelegt werden, so lange es noch nicht zu einer neumodischen Arena umoperiert wurde. Es stinkt zwar nicht mehr nach Fußball und Tradition, dafür ist zu viel Geld und Werbung (das Camp Nou heißt jetzt Spotify Camp Nou) im Spiel aber es riecht noch danach.
Adios Serge