Als ich erfuhr, dass ich - sagen wir aus beruflichen Gründen - vom 28.4. bis zum 30.4. in der Türkei, genauer gesagt Nähe Antalya verweilen würde, kamen mir sofort 2 Gedanken: „Wer spielt und wie läuft das mit Passolig?“
Vorab - zweiteres habe ich nicht gebraucht. Passolig gilt nur für die ersten beiden Ligen. Alles drunter geht problemlos direkt am Stadion.
Also machte ich mich auf die Suche, diverse Seiten wurden durchkämmt, nebenbei Europlan und Maps mit Entfernung zum Hotel abgecheckt und die Vorfreude mal so richtig getrübt. Erste und zweite Liga spielt alles im Umkreis von 200 km an dem Wochenende auswärts und eigentlich hab ich aufgrund der Flugzeiten sowieso nur den Samstag zur Verfügung. Ich geb’s ja zu, zum gegenprüfen hab ich diese doofe Hopperapp genutzt, aber die konnte eben auch kein anderes Spiel herzaubern.
Also mussten tiefere Ligen her… „hmm die Liga sind alle weit weg, hmm die Liga spielen auch alle auswärts, hmm ich schau nochmal die Liga, aber wird ja eh ni“ ..Zack! Serik Belediyespor! 3. Liga! Kein Passolig! Keine 20 Kilometer vom Hotel! Ausbau auf mehreren Seiten! Geil ! Es war wie im 7. Himmel. Sollte das mit Länderpunkt Nummer 26 tatsächlich was werden? Na mal sehen.
Erste Taxipreisrechner ergaben 7€ pro Strecke. Mit Touribonus und so vielleicht 10€. Geht ja voll klar, dachte ich. Dann fand ich eine App, ähnlich wie Uber und Grab, nur halt in türkischer Ausführung. 17€ die Strecke und für Rückzu brauch ich noch zusätzlich paar MB Roaming. „Naja gut, scheiss drauf. Geht ja auch noch.“
Gleich vorweg, es sind dann 55€ geworden. Die App hat nicht geklappt und das Hotel hatte da natürlich Festpreise mit dem örtlichen Taxiunternehmen, das 5 Meter vorm Hotel nur so auf die Touris wartet. Immerhin war der Abholservice inklusive und die Roaminggebühren sind auch entfallen. Egal, GSKR!
Zurück zum eigentlichen. Nach einer kurzen Nacht ging’s Freitagmorgen nach Leipzig, um in den vollbesetzten Charter gen Antalya zu steigen. Knapp 3 Stunden später fand ich mich im Transferbus zum Hotel wieder. Nach kurzem Check In und akklimatisieren im Zimmer ging’s dann zur Bar auf paar Kaltgetränke und dem Check, ob hier ja vielleicht jemand morgen mitkommen mag. Taxikosten sparen und so. Geld spielt dann doch ne Rolle.
Samstag ging’s damit weiter, einige Trikots nationaler Konkurrenten konnten erspäht werden, doch keiner hatte Bock auf dritte Liga Türkei. Echte Fußballfans also…
Dann eben allein. Kurz nach 13:30 bemühte ich meine App, um paar Fenge günstiger zu kommen. Doof nur, dass scheinbar kein Taxifahrer bereit war, einen deutschen Fussballassi die 20 Kilometer aus der Pampa nach Serik zu bringen. Also musste dann doch ein Deal mit der Rezeption her. Die riefen jemanden an, keine 3 Minuten später war er vor der Tür und glücklicherweise sprach er bisschen deutsch und englisch. So konnte nach langen und harten Verhandlungsrunden ( „ich will meinen Kindern noch ein Eis kaufen“ zog leider nicht) sich auf 55€ statt 60€ Return geeignet werden. Naja, immerhin bisschen was gespart und das ganze hier war ja bis dahin auch quasi für Lau.
Mein Taxifahrer, ein ca. 1,70 großer Mittfünfziger taufte mich recht schnell auf den Namen Kollega. Als er dann feststellte, dass Kollega wirklich zum Fußball will und kein verwirrter Heinz ist fing er an zu erzählen. Zuerst rief er den Präsidenten, einen laut seinen Aussagen guten Kumpel von ihm, an. Der bestätigte, 15 Uhr wird gespielt. Karten gibts genügend vor Ort und eine Karte kostet 20 Lira.
Top! Das klappt ja wirklich, dachte ich mir.
Als Nächstes erzählte er, dass er selbst in Serik wohne, die 120.000 Einwohner alle wie eine große Familie seien und die Kriminalitätsrate hier die niedrigste des Landes sei. Na gut, Touris abzocken hat ja auch noch nie vors Gericht geführt. ;)
Durch Straßen, die in Deutschland nichtmal als Baustellen durchgehen würden, manövrierte der gute Herr mich jedoch sicher und ortskundig zum Serik Ismail Ogdan Stadi, gleichzeitig Heimspielstätte von Serik Belediyespor. Dort angekommen kam ich erstmal in einen Pulk aufgeregter Cops. Diese dachten wohl, ich sei einer der Gästefans, die kurz vor mir ankamen. Aber was wäre denn ein türkischer Taxifahrer, wenn er nicht auch diese Herausforderung für seinen Kollega mit Bravour meistern würde? Selbst das Kartenthema klärte er mir und drückte dem Kassierer 20 Lira in die Hand. Sehr gütiger Mann, hehe.
Im Gegenzug erhielt ich ein bedrucktes Stück Papier, auf dem immerhin der Vereinsname drauf steht. Da draußen nicht wirklich viel zu sehen war, ging’s 50 Minuten vor Anpfiff direkt rein. Und was soll ich euch sagen, ich war mehr als nur positiv überrascht! 2 Überdachte Tribünen auf den Längsseiten, die eine alt und urig, die andere recht neu, dazu hinter dem Tor ein Gästeblock mit Dach, im feinsten Polenkäfigstyle. Dazu im Heimbereich daneben noch 3 unüberdachte Sitzreihen. Wahnsinn! Ausbau auf 3 Seiten, das hatte ich nun bei bestem Willen nicht erwartet!
Im Gästeblock gab es auch schon einige Kibole, die mit einer großen Zaunfahne und Trommel auf sich aufmerksam machen konnten. Lange vor Spielbeginn gaben diese einige Lieder zum besten und begrüßten Ihre Spieler mit persönlichen Gesängen. Die ließen es sich nicht nehmen und begrüßten den Gästeblock ebenso. Herrlich, wie unkompliziert der Fußball sein kann..
Kurz darauf begaben sich auch paar Jungs der Heimseite auf die Gegentribüne, um dort Ihre Fahnen aufzuhängen. Top, schön Hopperfreundlich, dachte ich. Doof nur, dass sie sich dann selbst auf der Haupttribüne positionierten und die Gegengerade somit bis auf die paar Fahnen komplett leer blieb.
Kurze Zeit darauf kamen die Cops, die mich gerade eben noch draußen als Gästefan zu enttarnen versuchten, ins Stadion und nahmen nach einem Marsch durch den Block - der auch als Ansage an die zu dem Zeitpunkt 50 anwesenden Rentner, Kinder und Hopper hätte verstanden werden können - mit Ihren Waffen und Schlagstöcken Platz am Rand der Tribüne. Schön in den Schatten, man muss sich ja bei so viel Arbeit auch ausruhen.
Irgendwann vorm Anpfiff kam ich noch auf die Idee, mir mal das Angebot vom Kiosk anzuschauen. Sonnenblumenkerne zum aufknacken und Wasser waren das Objekt meiner Begierde. Als ich fragte, ob ich in Euro zahlen kann, antwortete man mir mit ja. Als ich fragte, was die Kerne kosten (waren übrigens recht salzig), hieß es „one euro“. Das Menü mit Wasser (kam originalverpackt in einem Joghurtbecher!) kam sogar auch „one euro“. Da musste ich natürlich zuschlagen! Kurz vor Anpfiff erhob sich die gesamte Tribüne zur türkischen Nationalhymne. Danach konnte es endlich losgehen. Ein Spiel, welches sich ungefähr auf Niveau Oberliga Deutschland befand, sollte in den Gästen seinen verdienten Sieger finden. Generell war ich jedoch von der Fairness und Ruhe im Spiel überrascht. Bis auf den Trainer von Serik war’s ein recht faires und ausgeglichenes Spiel mit den besseren Chancen für die Gäste. Selbstverständlich darf bei sowas natürlich ein Sonntagsschuss nicht fehlen (kam zwar von Serik und war so ungefähr die einzige sehenswerte Aktion), doch trotzdem durften die grob 80 der insgesamt 400 Zuschauer, die die rund Achtstündige Autofahrt aus Iskenderun auf sich genommen hatten, den Auswärtssieg bejubeln.
Für mich ging’s überpünktlich raus, um kurz noch 1-2 Fotos von draußen zu machen und den guten Taxifahrer nicht unnötig warten zu lassen. Schließlich hatte der gute Mann sich für 16:45 angekündigt. Zuerst sah ich ihn nicht, aber dann hörte ich aus dem Gebüsch ein deutliches „Kollega!“ - das war mein Signal und damit ging’s dann direkt wieder zurück zum Hotel. Hier gabs auf dem Weg nochmal die volle Breitseite türkischer Autofahrkunst inklusive nichtbeschrifteter Straßen, stehen mitten auf der Kreuzung und mit 90 durch die hügelige Baustelle brettern, zu bestaunen. Mir war’s egal, rechtzeitig zum Abendessen war ich wieder im Hotel und freute mich über den Länderpunkt Türkei.
Am nächsten Morgen hieß es früh aufstehen, um bei Zeiten via Leipzig wieder in Dresden aufzuschlagen. Montag will ja trotz Feiertag wieder gearbeitet werden … (rainerkaesek)
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