Pünktlich im Direktzug von Dortmund nach Dresden gesessen, holte mich die Durchsage „Nächster Halt Bielefeld“ aus meinen Träumen. Im Hinterkopf schwirrte noch der Gedanke, dass ja am Abend noch ein Fußballspiel in dieser Stadt sei. Und da stieg ich halt in Bielefeld aus. Komplette Kurzschlussreaktion meinerseits. In Bielefeld aussteigen, anstatt nach Dresden weiter zu fahren. Wer macht denn sowas?
Nun hatte ich noch genug Zeit zu überbrücken, war es doch erst gegen 15 Uhr, als ich aus dem Zug fiel. Also einfach mal in die Stadt gewackelt und einfach ohne Ziel drauf los gelaufen. Hier mal nach rechts, dort mal nach links, weiter in die Altstadt und noch mal um die Ecke geschaut und schon sah ich den Turm der Sparrenburg. Diese Sparrenburg, oder eher Burg und Festung Sparrenberg) befindet sich auf dem 180 Meter hohen Sparrenberg, welcher bereits im Teutoburger Wald liegt. Vom Turm der im Jahre 1250 erbauten Burg hat der Besucher einen weiten Panoramablick über Bielefeld. Sollte aber, bevor er den Turm besteigen will, im Besucherzentrum die drei Euro Eintritt bezahlen und sich dafür eine Wertmarke für das Drehkreuz geben lassen. Ansonsten steht er, wie ich vor dem Drehkreuz, und fängt unweigerlich das stete Drehen des Drehkreuzes an. Nur leider in die falsche Richtung. Gut, hätte ja auch mal irgendwo am Eingang der Burg stehen können und nicht erst am Drehkreuz, dass es eine Wertmarke braucht. Nach dem Besuch der Burg stolperte ich noch weiter durch die 333.786 Einwohner zählende Stadt und landete irgendwann wieder am Hauptbahnhof. Noch fuhren Züge direkt nach Dresden, aber wenn ich halt schon mal da war, ging es eben weiter per Pedes zum Stadion. Immer den Arminia-Fans hinterher. Hierbei passierte ich den Siegfriedplatz, wo sich ein Groß der Arminiafans auf das Spiel einstimmte. Ganz coole Atmosphäre war das hier.
Zur neuen Saison der zweiten Bundesliga wurde auch in dieser der Videobeweis eingeführt, was in der ca. 75. Minute zu meinem ersten Liveerlebnisses dessen führte. Der Schiedsrichter pfiff einen Elfer für Bielefeld, entschied sich dann doch für den Videobeweis und pfiff am Ende den Elfer wieder zurück. Auf Fotos sieht die Situation schon sehr nach einem Elfmeter aus. Der Ball war zwischen der Hand/Arm und dem Oberschenkel eines Braun-Weißen eingeklemmt. Also ich brauchte den Scheiß persönlich nicht. Lebt doch ein Fußballspiel doch gerade von der Tragik von Tatsachenentscheidungen so mancher Spielentscheidungen, über die sich noch Wochen später unterhalten wird. Und nicht von Entscheidung, Hinweis aus Köln und dem Revidieren einer Entscheidung. Zum Glück schaue ich nicht so oft Profifußball.
Bis dahin war das Spiel doch recht gut und ausgeglichen. Beide Seiten mit guten Chancen, aber ohne Torerfolg. Die Stimmung auch recht gut und die Paulianer zeigten in der Halbzeit, was sie von Salvini halten. Daumen hoch dafür. Ansonsten blieb mir nicht viel in erinnerung und alsbald hieß es auf zum Bielefelder Hauptbahnhof, schauen welche Züge noch in welche Richtung fahren. Auf dem Weg dahin noch zwei Engländer aufgegabelt, welche meiner profunden Wegbeschreibung vertrauten. Mich aber beim schnellen Überqueren einer Straße mit den Worten „Hey guy, we don‘t play Frogger her.“ von meinen Vorhaben abhielten.
Angekommen am Bahnhof musste ich der bitteren Realität ins Auge schauen: „Züge nach Dresden? Erst am nächsten Tag wieder. Aber nach Dortmund können sie noch fahren.“ Na dann: zurück ins Ruhrgebiet hieß die Devise. Dortmund Hauptbahnhof angekommen und ein wenig umhergeschlendert, hörte ich auf einmal eine leise Frauenstimme:
"Hilfe, hilfe, ich habe Angst."
"...." *verdutzter Blick.
"Hilfe, ich habe Angst."
"Vor wem?" *schaute mich um, junge Dame neben mir hat ein Bier und zwei Flaschen anderen Alk auf dem Arm; alle drei leer
"Ich habe Angst, weil ich keine Unterhose anhabe."
"....." *verdutzter Blick, erster Frage im Kopf, warum die Bekloppten und Bescheuerten immer mich zielsicher ansteurern
"Ich habe wirklich keine Unterhose an." *Hand geht an den Rock und zieht diesen nach oben
"...."
"Kannst du bisschen bei mir bleiben, weil du siehst so sportlich aus."
"Ich muss zum Zug."
"Machst du mit mir Sex?"
"Nein."
"Hast du Feuer?" *holt Zigarette hervor
"Nein."
"Na gut. Aber wenn du noch eine Weile hier bist, können wir uns gern treffen." *streichelte noch über den Arm
Das erinnerte mich stark an die Meth-Dirne in Hamburg vor ein paar Jahren, die zielstrebig auf mich zusteuerte und nur nicht mit mir kollidierte, da ich auswich. Sie frug aber auch nach, wie es denn um einen Fick stehen würde. Mit einem, von Meth zerstörten Gesicht wohl gemerkt.
Beim Umstieg in Wanne-Eickel hörte ich im Bahnhof ein lautes Hämmern auf Metall. Da ich zum Bus musste, ging ich auf den Bahnhofsvorplatz. Dort sah ich, wie ein Typ mit einem Stein auf ein Fahrradschloss einschlug, welches um einen Schilderpfosten gewickelt war. Daran natürlich ein Rad. Leise war seine Tat nicht. Fünf umstehende Passanten schauten ebenso interessiert zu, wie zwei Busfahrer. Typ ließ sich aber nicht stören und, zerdepperte das Schloss und fuhr seelenruhig davon. Na wenn das hier normal ist…..Bjoern Peng hat mit seinem Lied „At Night“ absolut recht.
Ich wollte mich an dem Wahnsinn dann auch noch beteiligen, stieg in den Bus und sagte dem Busfahrer:
"Du, ich hab die 2,80 für die Fahrt nur noch in klein."
"Dat ist okay."
*legte ein zwei Euro Stück, zwei Zehner und den Rest in Fünfern, Zweiern und Einern auf die Kasse.
"Haa.....dat is doch nicht.."
"Hatte ich doch gesagt."
"Ja, dat is schon okay."
Ruhrpott, mehr brauchst du nicht um durchzudrehen. Und ich meine so langsam, dass Städte, welche einen Fußballverein mit dem Wort "Borussia" im Namen haben, welcher Bundesliga spielt, ganz besondere Menschen haben. Zumindest lassen das meine Erfahrungen aus Dortmund und Mönchengladbach darauf schließen. Und vor dem geistigen Auge sehe ich gerade ein paar Königsblaue schäbig grinsen und mit dem Kopf nicken. (goju)
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