Wenn man in Porto ist, geht man zum FC Porto. In Anbetracht der lachhaften Taxi/Bolt/Uberpreise sparen wir uns die Öffis, googlemappen uns das Stadion, was in der App so aussieht:
Sieht aus wie ein schickes Stadion, direkt aus der App den Bolt geordert und 18 Minuten später ist man an einem Einkaufszentrum der Kette “El Corte Inglés”, was der hiesige Karstadt ist. Vor dem Aussteigen vergewissern wir uns beim ansonsten fahrservicetypisch stummen Fahrer, dass das hier das Stadion sei, worauf er uns auf deutsch (”Oh Shit, er spricht, deutsch, was haben wir die letzten 18 Minuten alles an Blödsinn gequatscht?!”) sagt, dass das das Einkaufszentrum der Kette “El Corte Inglés” ist, was der hiesige Karstadt sei. Hätten wir ihm gesagt, dass wir ins Stadion wollen, hätte er uns direkt zum Dragon Stadium gefahren, was in der App so aussieht und auf der anderen Seite vom D'oro liegt. Da wo wir gerade herkommen.
Ja, das sei ein Problem, jeder mache einen Laden auf, um FC Porto-Devotionalien zu verklickern und wer am besten SEO kann, gewinnt. Ach der Kapitalismus, ist er nicht drollig?
Die wirklich fast perfekten Deutschkenntnisse des Fahrers sind jetzt hilfreich, damit er uns, wie so zwei Rentnern, in der Bolt-App, tapp-wisch-voila, zeigt, wie man ihn gleich nochmal buchen kann. 15 Minuten später und damit für eine halbe Stunde Taxi für 18 EUR (+ 5 EUR Stoob, is’ ja klar) sind wir dann tatsächlich am Estádio do Dragão, einem generischen Betonklotz mit Regendach, weil Meer und Regen.
Wer früh losgeht, kann sich solche transporttechnischen Fuckups leisten und da es dunkel ist und nebelig, gibt’s eh wenig zu bewundern. Der Sportplatz hat einen Rang + einen Oberrang, was ca. zweitausend Treppenstufen heißt, bis man auf dem letzten noch verfügbaren Platz ankommt, was den Portugiesen nicht juckt - wer schon mal in Lissabon oder eben Porto war, weiß, die haben hier alle Waden wie Jan Ullrich. Der Einlass kommt vollständig ohne Personenkontrolle aus, zwei Leute stehen hinter Drehkreuzen und ihr einziger Job ist, denjenigen zu helfen, bei denen der Scanner das Handyticket nicht lesen kann, was sie nicht tun. Kurze Panik, dann sind wir drin, Obrigada auch.
Das Spiel des FCP gegen G.D. Chaves, also aktuell Dritter gegen Letzter, ist ausverkauft und das schon 2-3 Wochen im Vorverkauf. Überraschenderweise hatte ich irgendwie noch direkt vorne an der Balkonbrüstung zwei ideale Bierabstellplätze bekommen. Als wir dann ankommen, stellen wir fest, das Reihe 29 nicht ganz vorn, sondern ganz hinten, oben, an der Wand, unterm Dach ist. Mein portugiesisch und das lesen von Pfeilen (”Hier Spielfeld, Du Depp!”, las sich die Legende) ist halt rostig. Das tut der Stimmung keinen Abbruch, weil es kein Bier zum Abstellen gibt. Wir hatten es schon geahnt. Traurig ist das dennoch, ist der Sponsor vom FCP doch Super Bock, was, je nach Geschmack, zum Glück/Unglück kein Bock ist, sondern das portugiesische Radeberger; schmeckt nur besser. Also wird Super Bock 0,0% ausgeschenkt, welches wie jedes alkfreie Bier abscheulich schmeckt (ausgenommen natürlich Störtebcker Atlantik-Ale Alkfei, I know!). Immerhin weist uns die Beerkeeperin entschuldigend darauf hin, dass das hier alkfrei sei, falls wir mit Zahlen, 0,0 und so, nicht so klarkommen und ob das ein Problem ist? Die Antwort ist klar, wir lachen kurz gemeinsam, sehr sweet.
Der Vorteil am kurz vorm Anstoß kommen ist, dass man nur fünf Minuten Stadionmusik ertragen muß. Wir sind da vom Heimatverein nicht verwöhnt, aber wenigstens ist zu Hause der Sound scheiße und die Mugge abwechslungsreich schlecht. Der Portoaner bekommt die volle, LAUTE, Hifi-Dröhnung internationaler Ballermannhits auf Portugiesisch in die Ohren bis 0,004 Sekunden vor dem Anstoß, was der Stimmung des Portoischen Fanblocks nicht hilft. Sind wir hier bei der NBA oder was? Was für eine Unart. Der Block muss damit leben und zieht gleich mal ein Banner hoch, mit einem minimalen Pyroblinklicht unter der Fahne, mutig, aber am Ende wahrscheinlich Solarbetrieben von Alibaba. Nebel zieht dennoch wie Sau unters Dach, wir rätseln bis zur Halbzeit, bis wir scharf schlussfolgern, dass das sogenannter “Nebel” ist, vom Meer, über den Sund des D'Oro, durch die Stadt bis unters Stadiondach. No Shit, Sherlock.
Gästefans sind Fehlanzeige, optisch wie akustisch. Sehr strange, ok, Chaves, eine Kleinstadt kurz vor der Spanischen Grenze im Norden, hat nur 40.000 Einwohner aber Portugal ist jetzt auch nicht Australien, ein Paar Chavenesen hätten es schon schaffen können, die 150km mit dem Auto zu fahren, zumal der FC Porto zwar schön singt, aber auch nicht endlaut, ein paar nordportugiesische Weisen hätte man dazwischen schieben können.
Ok, es gibt kein Bier, dafür eine Sicht wie bei Sensible Soccer, aber natürlich sitzt vor uns der größte je geborene Portugiese, er ist 1,83m groß und hier persönlichkeitsschutzrechtskonform nicht im Bild.
Bei Dritter gegen Letzter erwarten wir ein Feuerwerk und Tore Galore, aber der FC Porto wird auch das Dynamo Dresden der Liga Portugal genannt (”Echt jetzt?!” “Nein, nicht echt.”) und die Chancenverwertung ist entsprechend. Zum Glück haben die Fans was zum schimpfen: die Fussballmafia FPF, die mal wieder einen kompletten Idioten geschickt hat, so schimpft es um uns herum und wir brauchen keine nicht vorhandenen Portugiesischkenntnisse um das zu verstehen. Es ist ungefähr so berechtigt, wie bei jedem Spiel, bei dem es Dir der Gegner wirklich einfach macht, zur Halbzeit 4:0 vorne zu liegen durch Danebenrutschen, Hinterherrennen und Immereienschrittzulangsamsein, aber deine Mannschaft das Tor nicht findet. So steht es ewig 0:0 und es soll noch bis zur 58. Minute dauern, bis João Mário das Ding reintut. Danach darf das ganze Stadion nicht einmal, nicht dreimal, nein, auch nicht nur fünfmal “Mario” rufen, es muss das Ganze gezählte siebenmal tun, es ist ein bisschen peinlich. Aber das hat man davon, wenn man konstant einzig vom wirklich nett singenden Block unterhalten wird und selbst nur den Arsch hoch bekommt, wenn man den Mann in schwarz (technogelb) beblökt. Jetzt geht’s los, denkt man, aber die Favoriten kombinieren sich immer wieder bis kurz vors Tor, um die Impe dann irgendwohin zu kutschken statt ins weiße Eckige. Und so kommt es wie es kommen muss, auf einmal steht in der 80. einer von Chavez vor dem leeren Toreck und nur die Latte rettet und dann nimmt einer von Chavez das Ding mustergültig wie Mario Götze mit der Brust im 16er an, Feuer!, und nur Rodrigo Moura hält in Kevin Broll-Manier das 1:0. Alter. Gegen den Letzten!
Aber, Kompliment, alle bleiben bis zum Schluß, kaum ein Erfolgsfan geht. Nur um zu sehen, wie sich Porto mit landestypischem Auf-Dem-Boden-Gewälze über die Overtime rettet. 1:0. Wahnsinn.
Der Rückweg dauert dann nicht 18 Minuten, sondern fast 90. Nicht weil wir uns in der Kneipe das richtige Super Bock geben, sondern weil manchmal Eingebung und Handlung nicht im Gleichschritt gehen. Natürlich bestellt man sich kein Uber vor dem Stadion. Man fährt mit der Metro ein paar Stationen aus dem Stau raus und holt sich dann so ein Ding. Stattdessen warten wir 30 Minuten und zwei Fahrer und der steht dann natürlich immer noch im Fridaynight-Großstadtfever. So konnte ich wenigstens zum ersten mal eine halbe Stunde Tesla fahren, natürlich erst, nachdem ich in das Ding nicht reinkomme, weil ich die Klinke nicht finde und dann am Apartment nicht mehr raus, weil ich die Klinke nicht finde. Nüchtern um zwölf zu Hause und ab in die Falle, denn am nächsten Tag geht’s um 11 Uhr früh in die zweite Portugiesische Liga und erfahrungsgemäß ist da mehr fun drin! (Herr Falschgold)
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Overtime statt Nachspielzeit?
Sind wir hier bei der NBA oder was?