„Und, wie war es in Bad Düben?“
„Also was dort los war…der blanke Wahnsinn…fast hätte ich auch aufs Mett bekommen…“
„Was? Echt jetzt? Erzähl.“
„Na ich bin aus der Innenstadt zum Stadion gelaufen und da fiel mir schon ein Auto auf, das hinter mir fuhr und als die an mir vorbeifuhren, klotzen mich fünf Sturmhauben aus dem Inneren an.“
„Wirklich?“
„Ja…ich erzähl dir keinen Scheiß. Und als ich dann in die Nähe des Polizeistadions kam, standen da 10 Kunden mit Sturmhauben.“
„Ähhh…“
„Doch! Und ich mir nichts dabei gedacht, sprach mich dann auch eine der 15 Sturmhauben an, wer ich denn sei und was ich hier will. Meine Antwort an die 27 Kunden war halt, dass ich hier nur wegen Fußball bin und keine Kontakte zu einen der beiden Teams habe. Das stellte die 39 Typen aber wohl nicht zufrieden und da hieß es für mich erstmal stehenzubleiben. Und wie ich dann so dastand, fragte mich wieder einer der 51 Kunden, ob ich wirklich nur wegen Fußball hier ins Stadion will. Hatte ich natürlich bejaht, doch die 63 Sportler waren echt nicht zufrieden mit meiner Antwort. Und dann ging es los. Die 75 Kunden bildeten um mich einen Kreis und fragten weiter. Ob ich so ein hohles Hopperschwein bin. Na und ich wollte nicht lügen und da sagte ich halt ja. Aber du glaubst es nicht: da blickte ich plötzlich in 93 dunkle Gesichter. Das war echt die Hölle. Und dann ging es weiter und einer der 104 Sturmhaubenträger kam direkt an mich ran. Ob ich der Haderlump sei, wollte der wissen. Verneinte ich aber. Dann fragte er weiter, ob ich von den Los Misenas bin, was ich natürlich auch verneinte. Junge, wurden die 120 Module da immer unruhiger. Naja…der fragte halt weiter, ob ich von Kopane bin. Da sagte ich auch erst nein, war aber zu unsicher in der Antwort. Und dann ging es los. Die 127 Typen kamen immer näher. Ob ich der Kulturbeauftragte bin, oder gar der Serge….das verneinte ich natürlich, aber die kamen immer näher…und dann fragte einer aus dem Pulk der 143 Sturmhauben, ob ich der goju bin. Und da sagte ich halt ja….und plötzlich gingen die 157 Kunden alle einen Schritt zurück und stellten sich als Pulk auf. Nur der eine, der mich zuerst fragte, blieb bei mir stehen. Und der sagte, dass er sich eh nur für Kraftsport interessieren würde…und dann hob der die Faust und wollte mir so richtig hart aufs Mett kloppen…doch bevor der das tun konnte, zogen die 184 anderen den in ihre Mitte, redeten auf den ein und als der weiter Widerworte gab, wurde das bei denen immer wilder. Plötzlich flogen den seine Klamotten und seine Sturmhaube durch die Luft und zack: der 200er Mob löste sich auf und der Typ war weg. Also ich weiß jetzt nicht, ob die den gefressen haben oder richtig in den Boden eingearbeitet hatten, aber der war weg…einfach weg…Und 251 Typen blickten mich plötzlich an und sagten, dass sie mich nicht stören wollten, entschuldigten sich und gingen schnell zu ihren Autos. Da bin ich natürlich hinterhergegangen um mal zu schauen. Na und da stiegen die in ihre Autos, schnallten sich an und fuhren los. Das waren locker 200 Karren und davon locker 300 Neuner und 40 Busse. Und so schnell, wie sie da waren, genauso schnell waren die weg. Und da stand ich da und fragte mich immer noch, was gerade passiert war….ich meine, das waren ja utopische Kanten…456 an der Zahl….und ich alleine….“
„Echt jetzt?“
„Ja, genauso war das! Ohne Mist. So etwas erfinde ich doch nicht. Ich bin doch nicht so ein Diskopumper, der angeblich jedes Wochenende durch viele Betten springt.“
„Ja, das bist du nicht. Aber dennoch…“
„Habe ich dir jemals Mist erzählt? Jemals? J.E.M.A.L.S.?!?!?!?!? Ich meine, dass war diese Hoppingpolizei. Würde ja zum Sportplatz passen.“
„Ich muss los. Schönen Tag noch.“
„637 Kunden…wirklich…ohne Mist…jetzt warte doch mal…vom Spiel wollte ich dir auch noch erzählen….Hey, warte doch…HEY!“
Dem (noch existierenden) Deutschlandticket sei Dank, ging es kostengünstig gen Bad Düben. Wieso ich mir allerdings immer genau die Tage raussuche, an denen in Leipzig irgendwas los und der Zug mehr als voll ist, weiß ich auch nicht bzw. habe ich noch nicht herausgefunden, wieso ich mich für Zugfahrten gen Leipzig immer genau an solchen Tagen entscheide.
Der Höhepunkt auf der Zugfahrt war allerdings ein Elternteil mit Kind. Diese sind für mich natürlich kein Problem im Zug. Wieso aber einem Kind für die Zugfahrt Perlen für eine Perlenkette gekauft werden müssen, verstehe ich nicht. Denn es dauerte nicht lange und die Perlen rieselten auf den Boden, weil das Kind gern in die Box mit diesen Perlen griff und immer ganz viele herausnahm und nur eine brauchte. Als das Perlenspiel nach einiger Zeit mal beendet war, bekam das Kind das Handy der Mutter und eine Tüte Chips, damit es ruhig ist. Nicht ruhig war aber das Handy, auf welchem das Kleinkind sich irgendwelche kurzen TikTok-Videos anschaute und mit seinen, von Chips fettigen Händen, übers Display wischte. Aber auch das war irgendwann vorbei und das Kind wollte auf Toilette. Ich hatte dadurch die Hoffnung auf ungefähr 5 Minuten Ruhe, doch schon nach zwei Minuten kamen Elternteil und Kind wieder, denn das Kind wollte dann doch nicht auf die Toilette. Nun hatte das Kind plötzlich einen Lolli im Mund. Aber auch nur für eine Minute und hatte dann keinen Bock mehr darauf und schmiss diesen in den Mülleimer. Nur, um EINE Minute später dann doch wieder Bock auf einen Lolli zu haben und diesen aus dem Mülleimer holen zu wollen. Doch mein Knie blockierte diesen und so blieb er verschlossen. Danach bekam das Kind wieder das Handy in die Hand und weiter ging es mit TikTok und wollte dann doch nochmal auf die Toilette. So werden also hyperaktive Kinder gezüchtet. Interessant.
Bis Delitzsch passierte dann nicht mehr viel. Angekommen in Delitzsch musste ich schnell zum Bus, welchen der jemals beste erlebte Busfahrer fuhr. Dieser war ein Migrant und begrüßte jeden höflich und hielt auch mit dem ein oder anderen Menschen ein Schwätzchen. Besser wurde es dann auf der Fahrt. Stets den Fuß auf dem Gaspedal, fuhr er den großen Schuhkarton über die Straßen. Bis auf einmal eine Frau am Straßenrand lief. Der Busfahrer hupte, hielt an und forderte sie auf einzusteigen. Sie erwiderte mit Gesten, dass sie kein Geld habe. Der Busfahrer öffnete die Tür und sie kam zu dieser. Wieder sagte sie, dass sie kein Geld habe und dadurch nicht mitfahren könnte. Und der Busfahrer? Der sagte „Ist doch egal. Steig ein, oder willst du laufen?“, wartete bis sie im Bus war und fuhr wieder los.
An allen Haltestellen unterwegs begrüßte er immer mit einem Lächeln und ein paar netten Worten die Zusteigenden und alle die aus dem Bus ausstiegen bedankten sich quer durch diesen für die Fahrt. Ebenso war es auch auf der Rückfahrt. Denn der gleiche Busfahrer war wieder am Start. Als ich den Bus betrat, nickte mir auch noch ein Teenager zu, der ebenso auf der Hinfahrt mit dabei war. Also scheinbar sind hier fremde Menschen in dieser Gegend eher eine Seltenheit. Kurz bevor der Busfahrer wieder losfahren wollte, kamen zwei weitere Jugendliche, ebenfalls auf der Hinfahrt dabei, zum Bus gerannt. Der Busfahrer hupte die beiden an und rief „Yalla, yalla“ mit entsprechender Geste.
Auf dem Weg nach Delitzsch wurde noch der sizilianische Eisverkäufer (zumindest ließ das Eiscafé darauf schließen) angehupt, weil er gerade die Straße für das Einparken seines Eisautos blockierte und dann ging es wieder mit Vollgas durch das nördliche Sachsen. Unterwegs kannte der Busfahrer anscheinend wieder alle und hielt immer mal wieder einen Schwatz. Und das nicht nur ins Blaue rein, sondern mit gezielten Fragen zu einzelnen Personen. Zu guter Letzt gab er kurz vor dem Ziel einen weiteren Migranten noch ein wenig Türkischunterricht. Und dass alles immer mit einem Lächeln und Lebensfreude. Ja, da saß ich zweimal in seinem Bus und fragte mich, was hier gerade geschieht. Weil diese Gegend hätte ich eher mit Grummeldeutschen in Verbindung gebracht, als mit südländischer Lebensfreude. Zumal sich wirklich alle durch die Bank weg von ihm verabschiedeten und für die schnelle Fahrt bedankten. Ich war mehr als positiv überrascht.
Bad Düben (Stadt der Mühlen, Tor zur Dübener Heide) ist an sich ein recht nettes und kleines Städtchen. Nur viel los ist hier wirklich nicht. Gut, hier wohnen nur rund 8000 Menschen. Da brauche ich nun nicht gerade erwarten, dass hier der Bär steppt. Dennoch waren sehr wenige Menschen auf den Straßen unterwegs. Und wenn, dann auch fast nur im Auto. Vielleicht ist aber auch die Touristensaison für diesen Ort schon vorbei. Das machte mir dann aber nichts aus und so konnte ich mir in Ruhe die Burg Düben mit umliegenden Park, die Innenstadt und noch ein wenig mehr anschauen. Übrigens kam schon Napoleon auf der Burg Düben unter. Genauer war er vom 10.10. bis 14.10.1813 hier zugegen, nachdem er aus Dresden kam. Hier wollte er die Armee von Blücher erreichen und mit seiner Armee gegen diese kämpfen. Doch als Blücher erfuhr, dass Napoleon kam, brach er die Zelte am 09.10.1813 ab und machte sich mit seiner Armee dünne und zog sich nach Bitterfeld zurück.
Nicht nach Bitterfeld, dafür aber zunächst zum Sportplatz des evangelischen Schulzentrums zog es mich. Dabei fielen mir einige Schmierereien auf. Bad Düben scheint von Lok und Chemie umkämpft zu sein. Am Ende sind es auf jeder Seite nur eine Person, die immer mal mit der Dose in der Dunkelheit der Nacht losziehen und hier und da ein wenig Farbe an die Wand bringen. Das soll mich aber nicht kümmern. Viel mehr regte es mich auf, dass der Sportplatz am Schulzentrum verriegelt und verrammelt war. Ordentliche Fotos waren somit nicht möglich. Also ging es weiter zum Sportplatz der Bundespolizei. Beim Pförtner am Tor geklingelt, öffnete er dieses und als ich am Fenster stand, reckte er nur den Finger und sprach „Durch das Tor dort geht’s zum Fußball!“ noch bevor ich meine Frage stellen konnte, wo es denn zum Fußball geht. Und das alles ohne Taschenkontrolle. Hatte ich persönlich nicht so erwartetet, dass hier Hinz und Kunz einfach so in diese staatliche Einrichtung reinmarschieren können. Oder die Pförtner waren schon von den Hopperschweinen genervt und verfluchten sich selber, dass sie diesen kein Bier verkaufen konnten. Denn eine Verpflegung gab es hier zum Spiel keine.
Das Spiel des, vor dem Spieltag, Tabellenletzten gegen den Zweitplatzierten zog utopische 27 Zuschauer an. Auf dem Papier eine klare Nummer, hatte doch niemand damit gerechnet, dass Söllichau an diesem Tag zum letzten Spiel auf dem Sportplatz der Bundespolizei einen Punkt holen würde. Zumal Söllichau bis dahin nur 3 Tore erzielt hatte. Doch heute zündeten sie ein wahres Feuerwerk und erzielten schnell die Führung. Diese wurde zwar durch die Gäste egalisiert und in eine eigene Führung gedreht, doch die Heimelf schlug noch in der ersten Halbzeit zurück und erhöhte auf 3:2. Dabei wurde auch ein Traumtor aus 20 Metern erzielt. Die meisten Anwesenden waren positiv überrascht. Die zweite Halbzeit bot nur ein Tor weniger als die erste Halbzeit und Concordia sah lange Zeit wie der sichere Sieger mit einer 4:3-Führung im Rücken aus. Gerade, weil Söllichau eher tief in der eigenen Hälfte stand, statt Angriffsfußball zu spielen. Doch wie es immer so ist: die Gäste machten aus ihren weiteren Chancen nichts und die Söllichauer standen kurz vor Abpfiff plötzlich vor dem Tor und erzielten den viel umjubelten Ausgleich. Der Sachseninformer-Macher und ich waren so zufrieden mit dem Spiel, dass uns gleich noch der Linienrichter auf unserer Seite seine Spielanalyse darbot. Und ich muss ehrlich sagen: Ich habe das Spiel nicht so gesehen wie er. Einfach, weil ich es die ganze Zeit verquatscht hatte und nicht wirklich auf die Feinheiten achtete.
Der Sportplatz der Bundespolizei ist ein trister seiner Art. Sehr steril, wenig bis keine guten Motive für Bilder. Hauptsache eine von vier oder fünf Möglichkeiten genutzt die Sachsenkomplettierung voranzutreiben (hahahahaha…als ob mich das juckt). Übrigens ist Söllichau ein Ort in Sachsen-Anhalt. Wie ist es da mit der Sachsenkomplettierung, wenn die Eintracht wieder auf dem heimischen Sportplatz antritt?
Nach dem Spiel ging es für mich dann wieder quer durch die Stadt zum besten Busfahrer Sachsen und über Delitzsch und Leipzig war ich auch irgendwann wieder in Dresden. Warum Nordsachsen so weit entfernt von Dresden entfernt liegt, kann ich mir auch nicht erklären. Da bin ich mit den Öffentlichen fast schneller In Berlin als hier. Und landschaftlich ist das hier auch nicht so der Burner. Ein paar schöne kleine Ecken gibt es hier im Flachland. Aber mehr auch nicht. Feld, Feld, Feld und nochmals Feld. Und hin und wieder eine Ortschaft. (goju)