Die zweite portugiesische Liga spielt Samstag früh um elf, kein Problem, wenn das Stadion nur eine Viertelstunde vom Apartment entfernt ist und es beim FC Porto am Tag zuvor nur alkfrei gibt. Der erste Hauptsatz des Fußball besagt, dass ein Spiel in der 2. Liga besser ist als eines in der 1. und er sollte erneut bewiesen werden. Besser war schon mal die Anfahrt, weil Leixões SC, gleich vor den Toren Portos, nur einen Fanartikelshop hat, man also nicht in den falschen Teil der Stadt gefaket werden kann, denn er befindet sich direkt im Stadion selbst.
Wie man am Vereinslogo erkennt, spielt hier Fussball nicht die Hauptrolle, wurde der Club doch von einem Engländer in Portugal gegründet und die Engländer haben halt noch andere Hobbys wie Tennis und Gin Tonic trinken am Rande eines Rasens, wo sich alte weiße Männer in Westovern mit Holzpaddeln auf den Hintern hauen (oder wie immer Cricket funktioniert).
Das Stadion war in einem gewissen Sinne auch besser als das vom FC Porto am Vorabend, als dass es nur einen Rang mit 25 Reihen hat, das begrenzt die maximal mögliche Anzahl von zu bewältigenden Stufen. Ein neuer Fanblock wird gerade gebaut, aber Geld war nur für eine Seite da, da muss man kreativ werden. Wenn es in einer Hafenstadt irgendwas gibt (außer drunken sailors) sind das Container. We like.
Was passiert, wenn ein Flügelstürmer mit 35 km/h auf die Grundlinie zurennt und dann einen Bodycheck bekommt und geradenochso abbremst um keine Beule in’s Blech zu hauen, sehen wir gleich mehrmals, denn Leixões legt gut los für eine Mannschaft auf dem Relegationsplatz nach unten gegen den Drittplatzierten mit Aufstiegsambitionen. Der heißt Academico Viseu und beide Vereine werden komplett anders ausgesprochen, als man sich das vorstellt, irgendwas mit ganz viel SCH und AU. Das lernen wir hauptsächlich von den Leixões-Ultras, die zwar erst 12 Minuten nach Anpfiff loslegen, dann aber nicht mehr aufhören. Die Verspätung ist kein Protest gegen einen Investoren, sondern weil es früh um 11:00 Uhr ist und einige Spätkommer zwar laufen wie Troublemaker, aber wahrscheinlich erst drei viertel von Mutti geweckt wurden. Gesangstechnisch war der FC Porto gestern nicht schlecht, aber halt internationaler Standard. Beim Kleinstadtverein werden noch die alten Weisen gesungen, die heute niemand mehr kennt (oder halt nur ich nicht), es ist wonderful, wie Durval Martins, der Gründer des Vereins, damals, 1912, immer sagte. Ebenfalls besser ist die Stadionmugge vor dem Anpfiff und in der Halbzeit. Wie es sich gehört kommen da die White Stripes und Europe’s Final Countdown bevor es losgeht und die Anlage zerrt wie Gabi und hat keine Bässe. So muss das.
Spielerisch erleben wir soliden Drittligafußball in der zweiten Portugiesischen Liga mit einem Schiedsrichter, der gestern abend auch spät ins Bett gekommen ist und entsprechend laufen lässt, was die Stimmung auf beiden Trainerbänken ordentlich befeuert, weil, man hat die Spieler ja nicht umsonst auf die Neymar-Videoschule for advanced abrolling geschickt, ey. Leixões schlägt sich super, aber wie es sich für potentielle Aufsteiger gehört, ist Viseu effektiv und die haben sich Gautier Ott für sechsstellig von Hoffenheims 2. geholt. Während sein Mitspieler am 16er nach einem Foul noch notfallamputiert werden muss (so gebärdet er sich zumindest) macht der gebürtige Strasbourger eine Wissenschaft aus Ballhinlegen und Schritteabzählen bis uns das Lachen im Halse stecken bleibt, weil der das Ding so exakt über die Mauer ins Eck beckhamt, dass selbst heimische Fans ein bisschen klatschen müssen. Fussballkunst! 0:1.
Zur Halbzeit zeigt sich erneut, dass 2. Liga besser ist als erste, weil man im Vorort die Investition in einen sogenannten “Küchenofen” nicht scheut und die frischen Sandwiches mit Wurst/Schinken/Hähnchenschnitzel warm sind. Innovation! Dazu gibt es wie überall hier besten Espresso für ‘nen Euro und das in klein unter die Preistafel gekritzelte “Bier 1,50” ist offiziell bestimmt alkfrei, inoffiziell aber ist soviel Verkehr zwischen Block und Ausschank, dass das nicht stimmen kann. Wer trinkt schon becherweise alkfrei zum Mittag?
Irgendwann kommt sogar die Sonne raus, im Februar in Porto ein unerhörter Vorgang, wie uns berichtet wird. Nur nicht für die Heimmannschaft, die in der zweiten Hälfte den Ausgleich schafft, nur um sich dann ein Eigentor reinzuhauen. Endstand 1:2.
Aber die Hausherren haben aktuell eh keine großen Ambitionen auf die blöde erste Liga, denn sie haben in ihrer Geschichte schon alles erreicht, was man als Fussballmannschaft erreichen will, namentlich den Königsweg in den internationalen Fussball per Überraschungssieg im Pokalfinale und das ausgerechnet gegen den FC Porto. Ok, das war schon 1961 und man ist auch nicht weit gekommen, in der zweiten Runde war Schluss, da war niemand anders vor, als der FC Carl Zeiss Jena. Hah! So bringt man den Blutdruck jedes Ostfussballexperten hoch. Natürlich war das 1961 noch der SC Motor Jena, deren Fußballer wurden natürlich erst 1966 ausgegliedert, weiß jeder.
Mit diesem Edelstein des Fussballwissens gingen wir zufrieden aus dem supersympathischen Estádio do Mar, wir hatten Fussballkunst gesehen, gut gefrühstückt und wussten, dass das schwer zu toppen sein wird vom Serralves-Museum of modern art in Porto mit seinem legendären All-You-Can-Eat Buffet in der Cafeteria und wirklich cooler Architektur. Zumal uns da schon mal die falschen Farben begrüßten. (Herr Falschgold)
Daumen hoch für den Neuzugang Herr Falschgold im Autoren-Team! Die beiden Berichte aus Porto und Umgebung haben mich bestens unterhalten und jetzt habe ich endlich eine ungefähre Vorstellung wie Cricket gespielt wird. Mehr davon! 🙂