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Rezension zu Worte der Kohorte
1 Minuten Reading TimeNun ja, da lag es vor mir: Worte der Kohorte aus Duisburg.
Und irgendwie waren schon die auf dem Titelbild und in den Heftfotos vertretenen Personen so, wie ich mir die Kohorte im speziellen und West-Ultras eines beliebigen deutschen Zweitligisten immer vorgestellt habe: Flexcap, ZXer, irgendwelche Gruppennikkis und ein Seidenschal, bei dem der ahnungslose Fan nicht weiß, welchen Verein die Leute nun supporten. Okay, solche Leute können sicherlich auch was auf die Beine stellen. Und so ging ich dann doch relativ vorurteilsfrei ans Werk. Das Heft ist im A4-Format farbig gedruckt, was mir persönlich zu unhandlich ist. Farbig finde ich bei dem Inhalt gut.
Aber nun zu eben jenem. Der erste Text soll ein Abriss über die aktuelle Situation in Ultrá-Deutschland sein, was aber im typisch pathetischen Ultra-Geschwafel á la einiger BFU-Texte endet. Die Texte „Repressionen sind so schlimm“ und „Keiner versteht uns“ wirkt mittlerweile wie das Rumgeheule eines 14-jährigen über die bösen Lehrer und wie sehr man doch in der Schule benachteiligt wird und das man total viel blöde Leute in der Klasse hat. Mein Gott ist das ein alter Schuh….. Dabei wäre der Text durchaus gelungen geworden, wenn man mal die im Text gestellten Fragen beantwortet hätte (u.a. „Vermittelt der Vorsänger nicht eine diktatorische Hierarchie, der man sich als demokratischer Mensch eigentlich entziehen sollte?“ oder „Darf man Menschen hassen, weil sie Fan eines anderen Vereins sind?“). Hier hätte mich gerne mal die Meinung der Kohorte interessiert. Doch es wird gepflegt drumrum geredet.
Der zweite große Text, das Selbstverständnis der Kohorte, ist größtenteils ehrlich geschrieben und die Meinungen werden auch logisch argumentativ untermauert, was gerade bei Gruppen mit starker Hierarchie und Einheitsmeinung häufig nicht möglich ist. Mein Lieblingssatz hier (weil er endlich mal wahr und selbsteinsichtig ist): „So politisch Ultras auch sein mögen, für die Weltrevolution spielt der eigene Verein zu oft.“ Ein Satz, den sich einige mal durch den Kopf gehen lassen sollten, gerade im Hinblick auf Ägypten gibt es dort noch etwas anderes und wichtigeres als die Unterstützung einer Fußballmannschaft.
Es folgend die Spieltagsberichte, die häufig nur aus einem kleinen, fast stichpunktartigen Bericht und ein paar Bildern bestehen. Häufig reicht es aus; manchmal hätte es aber noch etwas ausführlicher sein können.
Sehr interessant war auch ein Interview mit dem Stadionsprecher Chris Schulze, welcher als Fan nur durch Zufall Sprecher geworden ist und den MSV wirklich liebt. Besonders interessant war hierbei jedoch die Tatsache, dass er sich vor Jahren als schwul outete und über die heutige Situation von Homosexuellen beim Fußball und dem MSV im Besonderen zu berichten weiß. Ein Bericht eines Betroffenen, den ich so noch nicht mal von USP gekannt habe.
Es folgen Berichte über die Fahrt zum KZ Dachau und den Vorträgen zu Homophobie und Antiziganismus im Fußball, die wohl mehr als große Lückenfüller dienen sollen, viel Neues haben sie nicht zu bieten…
Ein Text zur aktuellen Situation der Ultras in Italien darf natürlich auch nicht fehlen, wobei ich bei allem Respekt sagen muss, dass ich dann doch lieber hinfahre oder mir lieber einen Bericht von expliziten Italienkennern durchlese. Die Kohorte scheint mir außerdem von der Mentalität her vor Jahren eine Autopanne am Brenner gehabt zu haben und seitdem nicht mehr nach Italien zu kommen, anders ist dieses hässliche Outfit und die überstylte Fahnenkultur in Duisburg nicht zu erklären. Der darauffolgende Text zu Ultras und Rousseau ist wahrscheinlich im breiten Graszustand bei der Mondiali entstanden. Anders ist mir die Wahl des Themas und die Aussage, Ultra, mit dem elitären Gruppenaufnahmeritual, dem Vorsänger- und Mackertum und in vielen Fanszenen den Ausschluss von Frauen, sei ja eine besonders demokratische Jugendkultur.
Weiterhin noch gute Texte zur Historie des Fußballs in der Türkei und in Katalonien, sowie eine MSV-Streetartsammlung und ein liebevoll selbstgezeichnetes Comic und dann ist man auch schon durch.
Fazit: Das Heft ist definitiv besser als erwartet, aber bei weitem noch nicht der absolute Bringer. Wenn man jetzt noch dieses arrogante Ultra-Getue und die sinnlosen und ewig langen Berichte weglässt, wären sogar mal 8 Schnecken drin, so ist dieses Heft typisch Duisburg nur Mittelmaß und bekommt daher 5 von 10 Kopaneschnecken. (Jonas)